Zerrüttete Verhältnisse

Bis gestern war mir Rosa ziemlich egal. Bis gestern!

Bislang war mein Verhältnis zu Rosa Luxemburg von Indifferenz geprägt. Wir gingen uns aus dem Weg. Ich trug ihr nach, dass ich in der Grundschule zu ihrem Todestag jedes Jahr eine Wandzeitung gestalten musste, die zwar stets den gleichen Inhalt hatte, aber dennoch nicht jährlich wiederverwertet werden durfte – trotz des Sero-Gedankens. Als Wandzeitungsredakteur war ich dem Pionierrat assoziiert, da verbot sich solches Recycling. Rosa wiederum schien sich nicht um meine Nöte zu kümmern. Vielleicht haben ihr meine Wandzeitungen auch missfallen. Kurzum: Wir nahmen keine große Notiz voneinander. Seit gestern ist das anders. Unser Verhältnis ist zerrüttet. Rosa entzog sich mir, und das nehme ich ihr wirklich übel. Die Gemeinde Schönefeld hat den nach ihr benannten Weg verbessert und wollte das mit einem Banddurchschnitt feiern. Doch wo genau? Für jemanden, der neu in der Region ist, ist der südliche Speckgürtel mit seinen explodierten Dörfer ziemlich unübersichtlich. Also führte der erste Weg ins Internet. „Rosa-Luxemburg-Weg? Kenne ich nicht!“ sagt das Internet und fragt, ob ich statt dessen die Burgunderstraße meine. Oder ein anderes Großziethen. Nein, meine ich nicht. Also auf gut Glück hingefahren, um mich durchzufragen. „Rosa-Luxemburg-Weg? Kenne ich nicht“, sagt der alteingesessene Großziethener, den ich in der Ernst-Thälmann-Straße frage (thematisch liegt Ernst ja nahe – geografisch offenbar nicht). Ob ich vielleicht ein anderes Großziethen meine? Nein, meine ich nicht. Nach 40 Minuten Fragens und Suchens werfe ich verzweifelt das Handtuch und fahre zurück. Ein Blick auf die neueste, internet-freie Karte dort zeigt: Rosa hat sich auf die grüne Wiese verkrümelt, weit hinter die Ortsgrenzen. Bisschen viel Aufwand, um sich am Wandzeitungsredakteur zu rächen!

Erschienen am 28.04.2007

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