„Der Kanal ist voll!“ – „Ist er nicht!“

Bürgerprotest: Auf der Krisensitzung zu feuchten Kellern vertieften sich die Gräben, und neue taten sich auf

FALKENSEE Falls es noch eines Beleges bedurft hätte, dass die Stadt Falkensee das Problem der nassen Keller unterschätzte, ein Blick ins Hotel „Kronprinz“ hätte am Donnerstag genügt: Der Saal war viel zu klein, viele Zuhörer standen auf dem Flur, auf den Treppen oder sogar draußen unter dem offenen Fenster. Die Temperatur war hoch, die Luft stickig, die Stimmung explosiv. Das kalte Wasser – Thema des Abends – blieb dabei abstrakt: Wovon die meisten zuviel hatten, hier hätte es sich mancher gewünscht.

Mit großem Podium hatte sich die Stadt den seit Wochen klagenden Bürgern gestellt: Neben Bürgermeister Heiko Müller und den betroffenen Amtsleitern waren auch die Spitzen des Wasser- und Bodenverbandes (WBV), des Kreisumweltamtes und des Wasserverbandes dabei. Weit kamen sie mit ihren einführenden Worten freilich nicht. Anke Pingel vom Landesumweltamt wurde bereits nach zwei Sätzen unterbrochen, in denen sie erklären wollte, dass es immer mal wieder Jahre mit extrem viel Niederschlägen gebe. „Das wissen wir alles. Das Problem ist aber, dass die Gräben nicht mehr funktionieren“, rief ein Teilnehmer aus dem Falkenseer Ortsteil Waldheim. Andere fielen ein, und unter den Zuhörern kam Stöhnen auf, wenn das Wort Waldheim fiel. Von einer Bürgerversammlung aufgeputscht, waren die Waldheimer in Scharen gekommen und schienen wild entschlossen, ihre Probleme zum Hauptthema zu machen. Das ging eine Weile gut, dann platzte jemandem der Kragen. „Wir reden hier nicht nur über Waldheim. Waldheim ist eine Sumpfwiese, wer da baut, weiß, was ihm blüht“, rief er, und im sich nun entspannenden Wortgefecht hatte das Expertengremium erstmal Sendepause.

Kreisumweltdezernent Henning Kellner schließlich gelang es mit einer geschickten Wendung, sich Aufmerksamkeit und sogar etwas Sympathie zu verschaffen: Er räumte Versäumnisse ein. „Wir haben in den letzten 13 Jahren Gräben vernachlässigt, Flächen zu sehr verdichtet und auch Gräben aufgegeben. Es gibt keine Linderung, wenn wir nicht weitere Entwässerungsanlagen bauen und die bestehenden in einen besseren Zustand bringen“, sagte er und forderte sowohl die Unterstützung des Landes als auch die Initiative der Hauseigentümer ein. Für ein paar Minuten waren Waldheim und der Rest Falkensees wieder vereint.

Das gab sich. Schon als WBV-Geschäftsführer Horst Jorgas anhob, er habe 2116 Kilometer Gräben zu unterhalten, aber nur 26 Mitarbeiter, die jetzt schon restlos überlastet seien, schlug ihm wieder hörbarer Unmut entgegen. Dass und warum die Lage kaum zu bessern ist, wollte im „Kronprinz“ niemand hören, und Jorgas’ Zugeständnis, viele Gräben seien in katastrophalem Zustand, quittierte das Publikum nur mit Hohn. „Ihre Probleme sind uns Wurst! Tun sie etwas“ riefen ihm die Waldheimer zu, und sofort taten sich auch die Gräben im Auditorium wieder auf, die sich im Gegensatz zu denen fürs Grundwasser im Laufe des Abends stetig vertieften. Nun nahm die Debatte zuweilen skurrile Züge an: Einer forderte den Austritt aus dem Wasser- und Bodenverband, ein anderer wollte die Einführung eines Wasserwirtschaftsministeriums erzwingen und eine Frau bekannte, ein trockener Keller sei ihr wichtiger als jedweder Umweltschutz. Als sich dann zwei Herren hochroten Kopfes wechselseitig quer über den Saal zuriefen „Der Kanal ist voll!“ – „Nein, ist er nicht!“, war zumindest für Heiko Müller der Kanal voll: Er nahm seine Mitarbeiter in Schutz, die teilweise harsch und persönlich angegriffen wurden, versprach „weiterhin alles Menschenmögliche“ zu tun, um das Problem zu mildern, kündigte an, sich mit der Bahn in Verbindung zu setzen, weil der Waldheimer Manfred Eckert einen zu hoch gelegenen Durchlass an der ICE-Strecke als Ursache für die Überschwemmungen ausgemacht hatte und wischte im Übrigen die Drohung Betroffener vom Tisch, sie ließen sich die Sanierungskosten von der Stadt zurückzahlen: „Da mache ich ihnen rechtlich wenig Hoffnung.“ Dann löste er die Versammlung nach zweieinhalb Stunden auf, und alle gingen recht unbefriedigt nach Hause. Bis auf den Herren, der Flugblätter für einen Falkenseer Pumpenhändler und Abpumpservice verteilt hatte. Er lächelte.

Erschienen am 17.05.2008

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