Gut aufgestellte Gegenszene

Rechtsextremismus: Vorsitzender betrachtet das Brandenburger Aktionsbündnis als eine Erfolgsgeschichte

Der Wittstocker Superintendent Heinz-Joachim Lohmann sitzt dem Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus vor, das vor zehn Jahren gegründet wurde. Mit Lohmann sprach Jan Bosschaart.

MAZ: Das Aktionsbündnis wird zehn Jahre alt. Was hat es bisher bewirkt?
Heinz-Joachim Lohmann: Es hat eine steigende Aufmerksamkeit für das Problem des Rechtsextremismus im Land geschaffen. Es hat an ein paar Stellen dazu beigetragen, Rechtsextremismus zurückzudrängen. Und es hat Leute zum Kampf gegen Rechtsextremismus geführt, die sonst nie zusammengetreten wären – Gewerkschaften und Arbeitgeber ebenso wie Kirchen und den Humanistischen Verband, den Flüchtlingsrat und den Städte- und Gemeindebund.

Wo sehen Sie noch die größten Baustellen?
Lohmann: Die Probleme haben sich verlagert. Das Aktionsbündnis wurde in einer Zeit gegründet, in der Ausländerwohnheime brannten und es viel mörderische rechtsextreme Gewalt auf den Straßen gab. Heute drängen die Rechtsextremen stattdessen in die Parlamente. Wir haben begonnen, darauf zu reagieren, zum Beispiel mit einer Diskussionsreihe im ganzen Land.

Die DVU ist in diesen zehn Jahren zweimal in den Landtag eingezogen. War das ein Rückschlag für das Bündnis?
Lohmann: Zu erwarten, wir könnten jeglichen Rechtsextremismus mit Stumpf und Stiel entfernen, wäre übertrieben. Es geht darum zu zeigen, dass die Mehrheit der Gesellschaft weder rechtsextrem ist, noch mit Rechtsextremismus etwas zu tun haben will. Natürlich hört der Rechtsextremismus davon nicht auf. Die DVU ist zweimal nur deshalb in den Landtag gekommen, weil sie extrem populistische Wahlkämpfe geführt und die Stimmen vieler Unzufriedener bekommen hat.

Ein Potsdamer Politologe sagte kürzlich, das Land begünstige den Rechtsextremismus in dünn besiedelten Gebieten, weil es nur noch die Zentren fördert. Macht die Landespolitik hier Fehler auf Kosten des Bündnisses?
Lohmann: Meines Wissens stimmt das nicht: Die meisten rechtsextremen Gewalttaten werden aus Potsdam gemeldet. Dort gibt es aber eine gut aufgestellte Gegenszene, was in der ländlichen Weite oft nicht der Fall ist. Die Aufstellung dieser Gegenszene ist das Ziel des Aktionsbündnisses: von ganz links bis zur CDU, von den Bürgerlichen bis zur Antifa.

Fühlen Sie sich von der Politik ausreichend unterstützt?
Lohmann: An die Zusammenarbeit mit der Landesregierung habe ich keine Forderungen. Die eigentlichen Kämpfe werden in den Städten und Gemeinden geschlagen. Da läuft es zwar unterschiedlich gut, aber besser als vor zehn Jahren. Gerade in den letzten zwei Jahren ist es verstärkt lokal angekommen, dass Rechtsextremismus etwas ist, was wir in Brandenburg nicht haben wollen.

Ist es nicht ein Pyrrhussieg, wenn sich die Rechten aus der Öffentlichkeit in Parlamente zurückziehen?
Lohmann: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Rechten im Anzug und mit freundlich frisiertem Haar in Brandenburg stark punkten. Vielmehr hat sich das Land in den letzten 15 Jahren gut aufgestellt und angemessen reagiert. Ein Erfolg dessen ist, dass es keine flächendeckende rechtsextreme parteiliche Struktur gibt. Von organisiertem Rechtsextremismus reden wir vor allem im Südosten des Landes und mit Abstrichen im Nordosten. Die NPD wird die DVU zwar verdrängen, aber sie ist nicht so aufgestellt, dass sie überall antreten oder gar ganze Landstriche übernehmen könnte.

Im Jahr 2000 entspann sich eine teils harsche Debatte darüber, ob auch der Linksextremismus zum Aufgabenspektrum des Bündnisses gehört. Wie hat sich das auf lange Sicht auf die Arbeit ausgewirkt?
Lohmann: Wir sind gestärkt daraus hervorgegangen. Der damals neue Innenminister kam aus Berlin und brachte seine Erfahrungen von dort mit. Mein Eindruck ist, dass Jörg Schönbohm die These aufgegeben hat, dass Linksextremismus hier eine große Gefahr ist. Er sagt heute ganz selbstverständlich: Der Brandenburg bedrohende Extremismus ist Rechtsextremismus.

Muss sich das Bündnis auch gegen das Stimmenfischen mit den Vorurteilen der schweigenden Mehrheit positionieren, wie es im hessischen Wahlkampf geschah? Oder gefährdet das den gesellschaftlichen Konsens, der für die angestrebte Breite des Bündnisses nötig ist?
Lohmann: Es hat ja in Hessen zum Glück nicht wirklich funktioniert. Dass Roland Koch zwölf Prozentpunkte verloren hat, ist gerade dieser Kampagne geschuldet. Jugendliche Straftäter zwischen zwölf und 25 Jahren mit Migrationshintergrund würde in Brandenburg selbst im Wahlkampf niemand aufs Plakat heben, denn bei uns ist die Gewalt in dieser Altersgruppe einheimisch und hat häufig eine Glatze. Zudem ist in Brandenburg der Konsens in dieser Frage von Linkspartei bis CDU zu groß, um sich so niederzumachen, dass davon die Rechten profitieren.

Wie lange wird das Bündnis noch gebraucht?
Lohmann: Solange Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt in Brandenburg ein Thema sind, wird das Bündnis gebraucht. Es ist im Moment kein Ende abzusehen, aber ich kann mir vorstellen, dass die Vernunft siegt und Rechtsextremismus irgendwann weitgehend verschwunden ist. Aber das lässt sich zeitlich nicht eingrenzen – solange es noch rechtsextreme Straftaten gibt und die Rechten bei Wahlen mehr als 0,2 Prozent bekommen, wird das Bündnis gebraucht.

Erschienen am 14.02.2008

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