Der Kevin der Jahreszeiten

Jan Bosschaart hat Mitleid mit dem ungeliebten Winter, auch wenn er bald einbricht

Die von allen verweilenden Jugendlichen bereinigten Bushaltestellen und das immense Aufkommen suizidaler Eisdielenbesitzer lassen keinen Zweifel zu: Der Winter steht vor der Tür. Und weil niemand, der die Musik des Wortes „Cabrio“ kennt oder lauen Sommerabenden auch nur einen Hauch abgewinnen kann, diese Tür je freiwillig öffnen würde, bricht der Winter dem Sprachgebrauch zufolge irgendwann ein – ein ungebührliches Verhalten, dass sich Frühling, Sommer und Herbst nie leisten würden, ja auch gar nicht müssen, denn sie sind meist wohlgelitten. Der Winter hingegen ist das Problemkind unter den Jahreszeiten, er wurde vermutlich früh verhaltensauffällig, woraufhin sich ein jeder abwandte, was einen fatalen Kreislauf in Gang setzte: Um überhaupt noch Aufmerksamkeit zu bekommen, trommelte der Winter – hätte er einen Vornamen, er müsste wohl Kevin lauten – mit Eis, Sturm und Hagel an die Fenster. Doch die Menschen, für seine Hilferufe blind, mochten ihn danach noch weniger. So harrt er nun, zwischen Wut und Resignation pendelnd, drei, vier Monate seines Endes, bevor der Frühling sanft sprießt oder wahlweise leise hereinweht. Er hat es ja auch leicht, der alte Angeber. Ihm stehen die Herzen offen.

Erschienen am 21.11.2009

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