Was bleibt: Kleine Diktaturenkunde

Es scheint, als ginge bei dräuendem Erfolg in Uferwegdingen mit Rechtsanwälten gern mal die Historie durch. Unvergessen der Auftritt des Reiner Geulen vor dem Oberverwaltungsgericht im Mai letzten Jahres, kurz bevor das Gericht der Stadt am Griebnitzsee die zweite kapitale Klatsche zumutete und Geulens wegsperrenden Mandanten einen Erfolg bescherte: Da stand der Anwalt im Gerichtssaal, hochrot, drehte sich zum Publikum statt zum Richter, hob den pädagogischen Zeigefinger und ließ erstmal laufen: In Potsdam seien „seit 20 Jahren die Uhren stehen geblieben“, es herrsche ein „post-sozialistischer Eigentumsbegriff“ in der „ideologisch verblendeten“ Stadt, die noch „die DDR in den Knochen“ habe, ja ein einziges „sozialistisches Biotop“ sei. Solche Ergüsse kommen meist davon, dass der Sprecher es beim Potsdam-Besuch nur vom Hauptbahnhof bis zum Schlaatz geschafft hat, statt auch mal in der Berliner und Nauener Vorstadt vorbeizuschauen.
Als zweiten hat es nun offenbar Christoph Partsch erwischt, der bislang als eher kühler Stratege galt. In seiner Wut über die „zu lange Untätigkeit“ der Polizei bei den Ostermontags-Protesten vor den Grundstücken seiner wegsperrenden Mandanten in Groß Glienicke ließ er multimedial die Worte fahren, dies habe „anscheinend Tradition“ und erinnere „an die Zeit zwischen 33 und 45“. Etwas mehr Abstimmung dürfte man da schon verlangen, schließlich betreuen beide Herren zwar unterschiedliche Mandanten, aber mit dem gleichen Ziel – der gern zitierten nachhaltigen Entfernung des Pöbels aus der Sichtachse Kaffeetasse – Bootssteg. Da sollte es doch möglich sein, sich auf eine deutsche Diktatur zu einigen. Zumal beide Regime nach kurzer Einarbeitungszeit doch recht gut unterscheidbar sind: Holocaust, Weltkrieg, Atombombe und so: 33-45. Mauer, Stasi & Pioniergeburtstag: DDR.
So gesehen hat dann eher der Herr Geulen recht, denn mit Aussperrungen, Mauern und Grenzposten haben die Uferwege in jeder Beziehung mehr zu tun als mit Atombomben und Weltkriegen. Mit Sozialismus allerdings weniger, und engagiert protestiert wurde zu DDR-Zeiten ja auch erst kurz vor Schluss (fragen Sie mal den Baudezernenten!).
Sie werden ihre Diktaturenvergleiche ohnehin nicht glauben, die Herren Advokaten. Partsch ist mehrfach als Verfasser kluger Artikel über den Nationalsozialismus an die Öffentlichkeit getreten, Geulen hat entscheidenden Anteil am Sieg der Bürgerinitiative gegen das Bombodrom in der Kyritzer Heide – eines der linken Vorzeigeprojekte. Viel wahrscheinlicher ist, dass die gezielten Provokation die Stimmungen schüren sollen – medial funktioniert das ja schon bestens. Dass es am Ende auch den Schürern nützt, ist hingegen zweifelhaft. Über vorschnelle NS- und DDR-Vergleiche ist schon mancher böse gestolpert.

Erschienen am 08.04.2010

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