Ostalgie zu Schlussverkaufspreisen

Messe: „Ostpro“ in der Metropolishalle war gut besucht / DDR-Produkte beliebt

Einkaufen wie im Konsum: Von Tempo-Linsen bis Röstfein-Kaffee.

POTSDAM | Geruchstechnisch ist die Messe „Ostpro“ eine Enttäuschung: „Hier gibt’s zwar Filinchen und Rondo Melange, aber es riecht trotzdem wie im Intershop“, stellt ein älterer Herr beim Betreten der Metropolishalle fest. Zwei Tage lang verkaufen rund 60 Anbieter typische Ostprodukte, neue Produkte unter typischen Ostmarken oder schlichtweg Regionales aus den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern. Dem Besucherinteresse tut das 20 Jahre nach der Wende keinen Abbruch – rund 10 000 Gäste drängen sich laut Veranstalter an beiden Tagen in die Halle, ein bisschen Schlangestehen inklusive. Aber das gehörte in diesem Fall ebenso zum Flair wie der sehr moderate Eintritt von zwei Euro. Das Stimmengewirr ist leicht sächsisch gefärbt, der Altersschnitt liegt deutlich über 60 – Ostalgie ist kein Teenagerphänomen.
Gekauft werden weniger die Produkte als vielmehr das „Früher“-Gefühl, das sich in stark am Original gehaltenen Verpackungen manifestiert, deren Inhalt letztlich ein bisschen egal ist. Filinchen etwa gibt es mittlerweile in der „Kakao und Kokos“-Variante („hatten wir ja früher beides nich“) oder mit Dinkel („kannt’ ick damals nich“), sie gehen aber im Siebener-Pack wie geschnitten Brot über die Theke. Gleiches gilt für Tempo-Bohnen, -Erbsen, und -Linsen, für die sich die Leute mit Plastikkörben („Kein Rundgang ohne Korb“) der alten Zeiten wegen brav in die Schlange reihen, und es gilt auch für Plauener Spitze, Lausitzer Glanzbalsam (putzt Schuhe, Möbel und Bildschirme), Sarisal-Salz, Moskauer Eis im Butterpapier, Badusan-Schaumbad, Nautik-Rasiercreme und Elsterglanz. Inka Bause wirbt auf Plakaten für Röstfein-Kaffee, der inzwischen aus richtigem Kaffee besteht und sogar als Espresso und Cappuccino zu erwerben ist. „Das Original würd’ ich heute nicht mehr runterkriegen“, sagt eine Frau, die gerade für 42 Euro am Stand eingekauft hat. Sie kauft weniger die Produkte als „so ein Heimatgefühl“, wie sie bekennt.
Nach soviel Osten ist der Stand des „Neuen Deutschland“ gefühlsmäßig auch korrekt, die Listen für das kostenlose Probeabo füllen sich wie von selbst, und wer schon dasteht, nimmt auch die DVDs mit den schönsten Auftritten des Erich-Weinert-Ensembles und dem Propaganda-Filmchen „Berlin – Hauptstadt der DDR“ gern mit. Das Standardwerk „Die Flachzangen aus dem Westen“, das Wessi-Manager beim Spatenstich in Deutschen Demokratischen Boden auf dem Cover hat, verkauft sich gut, daneben liegen Poesiebände von Eva Strittmatter und das gesammelte Werk von Hermann Kant. „Von solchem Andrang aufs ND hätte Erich geträumt“, kommentiert ein Mann in der Schlange selbstironisch. „Welcher – Honecker oder Mielke?“, fragt sein Nebenmann. „Ist doch egal!“.
Das trifft’s. Zwischen Drei Haselnüssen für Aschenbrödel, Pittiplatsch und Bambina-Schokolade, deren Hauptzutat von gemahlenem Ostseesand längst auf echten Kakao gewechselt hat, schrumpft die Diktatur auf eine heimelig-lauwarme Warenwelt. Ob’s Erich – egal welchem – gefallen hätte, dass der ehemalige Klassenfeind die Arbeiter-und-Bauern-Produkte längst als Marketingfalle erkannt hat?
Der Konsument ist mittlerweile immerhin kritisch geworden. „Das gibt’s auch bei Kaufland, und zwar billiger“, ist ein oft gehörter Satz.

Erschienen am 07.03.2011

Hinterlasse eine Antwort

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu erstellen.


%d Bloggern gefällt das: