Das Stock-Werk

„Auf geht’s“, das hielt der gewöhnliche Deutsche bislang für eine ländlich-bajuwarische Ermunterung, die dem sinnenfrohen Bergvolk den beschwerlichen Aufstieg zu den Rindviechern auf der Alm erleichtern sollte. Auch wenn die zwei Silben, knackig wie a Lederhos’n, längst legion geworden sind: Spätestens durch testweises Anhängen eines „Buam!“ gelingt die landschaftliche Einordnung des rustikalen Motivationsausrufs selbst dem Zugereisten.
Dass indes die ursprüngliche Bedeutung eine – man muss es so deutlich sagen: – handfestere ist, hat die Welt jenseits des Weißbieräquators nun von zweien erfahren, die eher für den schnellen Abstieg berühmt sind. Naheliegenderweise war es der Donau-Kurier, der „die Skilegenden Rosi Mittermeier, 56, und Christian Neureuther, 58“ mit dem endgültig aufklärenden Satz zitierte: „Seit eine Studie belegt hat, dass Nordic Walker länger Sex haben, steht meine Frau täglich mit den Stöcken neben meinem Bett und drängt: ,Auf geht’s! Auf geht’s!’“ Selbst wenn wir uns ungern vorstellen, welche Rolle die Stöcke konkret dabei spielen mögen, auch wenn wir nicht verstehen, ob es dem Altersunterschied geschuldet ist, dass der Neureuther Christian – noch? – im Bett liegen muss, während die Mittermeier Rosi die Stecken schon fest in der Hand hat, so imponiert doch zweierlei: Der in Zeiten blauer Pillen rührend naive, ja fast schon naturmystisch zu nennende Glaube, allein durch Zuruf die erhoffte Wirkung zu zeitigen und nicht zuletzt die offenkundige Vertrautheit der beiden Spezl’n mit dem breiten Repertoire der Symbolik des Liebesspiels.
Haben nicht schon unzählige Romanciers und Regieheroen, Maler und Musiker, Psychologen und Pornoproduzenten, Größen des Geistes und Groschenheftautoren den Aufstieg, die Treppe und den Gipfelsturm mit dem Akt verglichen? Taten wir den beiden munteren Margarinevertretern gar unrecht, wenn wir mutmaßten, die Vereinigung der Geschlechter sei für sie nur eine weitere Form des cholesterinbewussten Genießens? Was der Donaukurier dazu verrät, ist im Grunde nur das: bei der Rosi und dem Christian, da läuft’s offenbar wie geschmiert.

(Veröffentlicht am 16. Juni 2007)

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