DAS WAR DIE WOCHE: Im Dialog

Es war die Woche der schönen Dialoge. Dialoge, die komischerweise keiner so recht durch Lachen gewürdigt hat. Deshalb soll ihnen – und Ihnen – an dieser Stelle eine zweite Chance eingeräumt werden.

Die bestechendste Logik: Montagmittag, Blaue Box am Alten Markt. Der Stadtschlossverein stellt das Fortunaportal als Christbaumschmuck vor. Es ist – für diesen Zweck – mit 16 mal 9 mal 9 Zentimetern monströs groß und mit seinen verzerrten Proportionen und all dem Goldstaub – vorsichtig formuliert – eine Geschmackssache. Das sehen offenbar auch zwei Passantinnen so, die neugierig dem MAZ-Fotografen beim Ablichten über die Schulter schauen: „Ilse, würdst du dir ditt an den Baum hängen?“ –
„Für keen Jeld der Welt. So toll ick ditt Portal im Orchinal ooch finde, aber ick häng ma doch keen Tor an’ Boom.“ – „Na mit eent alleene kommste ooch nich weit. Kannst ja nich deine DDR-Kugeln danebenhängen.“ – „Wennick den janzen Boom damit dekoriere, bin ick aber arm bei 20 Euro pro Stück.“ – „Kannst ja noch von KPM die Garnisonkirchenkugel kaufen, dann stimmtet wieder.“

Die bestverpackte Beleidigung: Dienstagabend, Bauausschuss. Es geht darum, in der Zeppelinstraße keine neuen Einkaufscenter zuzulassen, um den bestehenden Handel zu schützen. Darauf entspinnt sich zwischen Baudezernent Matthias Klipp und Sebastian Pfrogner – nicht eben dicke Freunde – folgender Wortwechsel: Pfrogner: „Der bestehende Tierfutterhandel dort bleibt aber?“ – Klipp, genervt: „Was schon steht, hat logischerweise Bestandsgarantie. Keine Angst, Sie können dort weiter ihr Hundefutter kaufen.“ – Pfrogner: „Ich habe gar keinen Hund.“ – Klipp: „Es gibt dort auch Vogelfutter.“

Die Ideologie der Frischluftzufuhr: Nochmal Bauausschuss. Ein Herr der Linken sitzt in dicker Daunenweste im überfüllten, überhitzten Raum, nach wenigen Stunden wird ihm – wenig überraschend – unbehaglich, er steht auf und öffnet ein Fenster. Daraufhin ein CDU-Mann zu seinem Sitznachbarn, ungehalten: „Warum zieht der nicht einfach die Weste aus, statt dass jetzt 40 Leute frieren?“ – „Weil der Kommunist ist. Der denkt, dass alle schwitzen und will nun auch alle mit frischer Luft zwangsbeglücken.“ – „Genau deshalb musste die DDR untergehen.“

Mittwoch: Die hartnäckigsten Dialogpartner dieser Stadt stehen dieser Tage vor dem Rathaus und versuchen, arglose Bürger zur Unterzeichnung des Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot zu bewegen. Wobei bewegen durchaus wörtlich gemeint ist, denn Unterschriftsverweigerer werden auch schon mal mit sanftem Druck in Richtung Bürgerbüro geschoben – selbst wenn sie vorab glaubhaft versichern, gegen das Nachtflugverbot sein, weil sie es sinnvoll finden, wenn der Jobmotor BER möglichst lange rotieren kann – wie es ein junger Mann am Mittwoch tat. Das brachte einen Aktivisten so auf, dass er den Verweigerer anschrie, er sei ein unsoziales … naja, Sie wissen schon. Darauf ein Passant kopfschüttelnd: „Ihr seid schon komisch, ihr Futzis. Gegen Lärm demonstrieren und dann in der Öffentlichkeit so rumbrüllen.“

Erschienen am 01.12.2012

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