DAS WAR DIE WOCHE: Das will ich auch!

Was für eine Aufregung – es gibt doch tatsächlich Schüler, die kiffen! Gut, an einer Elite-Sportschule mit Olympiastützpunkt ist das jetzt nicht sooo toll – schon gar nicht, weil dort selbst bei Klausuren überraschend mal ein Dopingtester auftaucht und zum kollektiven Gang zur Toilette bittet. Und bei erst 15-Jährigen ist trotz aller Liberalität Kiffen wirklich noch keine gute Idee: Es bleibt ein Restrisiko dauerhafter psychischer Schäden nach nur einmaligem Konsum. Egal nun aber, wie: Eltern, Schule und Stadt müssen jedenfalls reagieren. Vorschlag: Die Stadt benennt die Einrichtung in „Christoph-Daum-Elitesportschule“ um – der bisherige Namenspatron, Turnvater Jahn, ist ohnehin von vorgestern. Die Schulleiter geben endlich offen zu, dass an jeder Schule gekifft wird, statt schamhaft so zu tun, als gebe es nur das Kiffen der Anderen. Und die schuldgeplagten Eltern verweisen darauf, dass am selben Tag, an dem die Fälle publik wurden, in den USA ein bekennender Ex-Kiffer als Präsident wiedergewählt wurde und ein Bundesstaat Hasch legalisierte. Okay, nicht für Minderjährige, aber wir wollen jetzt nicht kleinlich sein. Die Lage ist schließlich bierernst.

Dass das Thema nicht überall so erschütterte, zeigte sich in der Stadtverordnetenversammlung. Dort stand die Ehrung verdienter Sportler der Eliteschule auf der Tagesordnung, und im Publikum machten schnell kreative Vorschläge die Runde: Koks statt Pflastersteinen mit Siegernamen, Freibier statt freien Nahverkehrs für Olympioniken. Als dann auch noch die „Erhöhung des Stammkapitals“ des Sportareals aufgerufen wurde, kannte die Kreativität kein Halten mehr: „Stammwürze statt Stammkapital“, forderte jemand; seit wann Cannabis auf Bäumen wachse, fragte ein anderer. Erst der Ordnungsruf des Parlaments-Vorsitzenden ernüchterte den Kreativrausch.

Um beim moralischen Zeigefinger zu bleiben: Diebstahl ist nie eine gute Idee, er schädigt andere, er erniedrigt den Dieb letztlich selbst und ganz nebenbei ist er auch noch strafrechtlich verboten. In Potsdam geht die Strafe indes über das juristisch Geforderte weit hinaus, wenn man dem Polizeibericht trauen darf (und wem könnte man noch trauen, wenn nicht der Polizei?): Als die Beamten am Dienstag eine attraktive 18-jährige Tschechin beim Handtaschenklau im Stern-Center erwischten, haben sie – Originalzitat! – „sie zur weiteren Bearbeitung auf ein Polizeirevier verbracht“. Für solche feinsinnigen Formulierungen ist die Polizei in letzter Zeit berüchtigt. Kürzlich explodierte „innerhalb eines überdachten Mülleimers“ ein Böller in einem „ansässigen Hotel“, den „lauten Knall“ nahm ein Zeuge „akustisch wahr“. Da sagt man sich als Schüler doch zurecht: Was die nehmen will ich auch!

Erschienen am 10.11.2012

Hinterlasse eine Antwort

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu erstellen.


%d Bloggern gefällt das: