DAS WAR DIE WOCHE: Betroffenbesoffen

Angesichts des Hypes um das Abrechnungsbuch der 598-Tage-Bundespräsidentinnen-Gattin Bettina Wulff und all der medialen Nebenwirkungen in den bunten Blättern und bunten Talkshows haben wir immerhin eines gelernt – dass es eine neue Buchgattung gibt, die Betroffenheitslektüre heißt. Nicht so sehr, weil der Leser von der Lektüre so betroffen wäre, sondern weil den Autor sein eigenes Schicksal so betroffen macht, dass er es anderen zur Lektüre empfiehlt. Quasi eine Betroffenheitsbesoffenheit. Dennoch: Hübsche Idee, mit therapeutischem Schreiben noch Geld zu verdienen, statt einen Therapeuten bezahlen zu müssen. Die sichersten Merkmale der Betroffenheitslektüre, so die Forschung, sind ein wehleidiges Kreisen um die eigenen Sorgen – „ Ich musste zurückstecken, als der Christian Präsident war, ich hatte davon Hautrötungen, ich leide sehr unter den Gerüchten über ein Rotlicht-Vorleben“ – und die völlige Abwesenheit von Selbstironie oder Humor, die solchen Leidens-Zentrismus aufbrechen könnten. Mag sein, dass „Tattoo-Betty“ darin deutsche Meisterin wird, wir können aber auf regionaler Ebene durchaus mithalten.

Wir wurden vom bösen Oberbürgermeister angegriffen, der unsere schöne Demo schlecht machen wollte, klagte etwa die NPD ihre Betroffenheit dem Verwaltungsgericht. Das wiederum zeigte Ironie, indem es dem Oberbürgermeister einer Stadt mit Toleranzedikt eine Auszeit von der gesetzlich gebotenen Neutralität gewährte, die es anderen Bürgermeistern verwehrte. Unsere Wertung: Betroffenheit: Kreisliga. Ironie: Bundesliga.

Die Stadt ist voll fies. Jahrelang lässt sie uns auf einem Filetwassergrundstück für kleines Geld wohnen, und nun will sie, dass wir umziehen. Und lässt uns nur ein halbes Jahrzehnt Zeit dafür. Das war die Klage der Wagenbürger von Hermannswerder diese Woche, und ja, das ist wirklich hart – Betroffenheit: Champions League!

Die Presse in Brandenburg ist so gemein. Sie wird von der SPD gelenkt und ist total ganz doll gegen die CDU, speziell gegen mich, klagte auch Saskia Ludwig, damals noch Fraktions- und Landesvorsitzende, in einer, nun ja, nicht wirklich die politische Mitte vertretenden Postille. Es war nicht mal die erste Klage dieser Art, doch ihre Fraktion entzog ihr daraufhin das Vertrauen. Darüber klagte Frau Ludwig vermutlich auch, aber nicht mehr öffentlich. Selbstironie haben aber selbst ihre engsten Mitstreiter nie an ihr bemerkt. Betroffenheit: Landesliga, mit guten Abstiegs-Chancen. (Hinweis: Der letzte Absatz wurde wie gewohnt auf Anweisung der Staatskanzlei aufgenommen.)

Erschienen am 15.09.2012

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