WAS BLEIBT: Betriebsunfälle
Es nützt ja nichts, drumherum zu reden: Auch wo wirklich gründlich, akribisch gar, gearbeitet wird, passieren Fehler. Die jüngste Abstimmung im Bauausschuss etwa wird als ein solch bedauerlicher Betriebsunfall in die jüngere Politikgeschichte Potsdams eingehen. Trotz besten Willens zweier Fraktionen der Regierungskooperation und trotz einer Leihstimme aus der Opposition wollte es partout nicht gelingen, ein Vorhaben – in diesem Fall die Matrosenstation Kongsnæs in der Schwanenallee, aber das Sujet ist austauschbar – zu kippen oder wenigstens um Jahre zu verzögern. Das nimmt ein wenig Wunder, denn solche Nachlässigkeiten beim Kippen von Projekten, die eigentlich schon auf den Weg gebracht waren, sind selten geworden: Bevor die Damen und Herren Abgeordneten in die Sommerferien entschwinden, vergruben sie noch mal eben ein paar Projekte, damit die über den Sommer kein Eigenleben entwickeln und Ende August plötzlich vorangeschritten sind. Die Seeoper auf Hermannswerder hatte man ja schon vorab vertrieben, so dass sichergestellt ist, dass keine Arien die lauen Sommernächte stören. Vom Badneubau im Bornstedter Feld sind deutliche Absetzbewegungen zu erkennen, ebenso von der Bebauung des Brauhausberges in der noch vor zwei Jahren hochgejubelten Form. Vom Tierheim reden wir gar nicht erst, da hat’s ja nur wenige Jahre, gefühlte 72 Planungen und sechsstellige Planungssummen für ein Heim auf dem Stadtgebiet gekostet, bevor irgend jemandem auffiel, dass es doch viel bequemer und billiger ist, die Tiere weiterhin extern abzuliefen. Doch das zur politischen Folklore der Landeshauptstadt gehörende Blocken von Projekten – alternativ ist jederzeit auch Totreden möglich – strengt an, und dann passiert’s halt: Die mittlere Speicherstadt etwa ist schon verkauft und beschlossen. Hier hätte man gern noch umgeplant oder neu ausgeschrieben oder wenigstens die Architektur diktiert. Aber vielleicht lässt sich der Bauherr ja noch dazu zwingen, einen Uferweg einzuziehen – wen kümmern schon die paar Millionen Schadenersatz? Gut, uns bleibt die Hoffnung, dass die Abgeordneten frischer und konzentrierter aus den Ferien zurückkehren und dann nicht mehr versehentlich wirklich noch gebaut wird in dieser Stadt. Einziges Problem dabei ist: Die Verwaltung entwickelt ein Eigenleben und trickst immer häufiger an den Gremien vorbei, indem sie Fakten schafft, wo so mancher Ausschuss noch bis Mitternacht über die Frage schwadroniert, ob man vor einer Bar eigentlich Parkplätze bauen muss, weil, wer da reingeht, danach ja ohnehin nicht mehr fahren kann. Oder der Gestaltungsrat, den man gründete, um nicht über Geschmacksfragen zu entscheiden, am Ende wirklich über Geschmacksfragen entscheidet. Wenn solche Skandale endlich aufhörten, das wäre doch eine Wohltat. Und endlich bliebe alles, wie es ist: Schön zäh.
Erschienen am 30.06.2011