Dringend gesucht: 30 Hektar für ein Anti-G8-Camp

Protestgruppen klagen über mangelnde Kooperation rund um Heiligendamm: Im Ernstfall sehen sie das Land in der Pflicht

SCHWERIN Etwa 20 000 Mitstreiter erwarten die vornehmlich linken Gruppen und Aktionsbündnisse, die beim G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni gegen die Globalisierung protestieren wollen. Eine Fläche, um für sie ein Camp einzurichten, wird hingegen noch händeringend gesucht. Die teilnehmenden Organisationen – vor allem Attac und die Jugendgruppen der Grünen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (Bund) – haben für diese Aufgabe eine Camp AG ins Leben gerufen.
„Um alle unterzubekommen, bräuchten wir etwa 30 Hektar freie Fläche“, sagt Adolf Riekenberg von der Camp AG. Viele Bürgermeister rund um Heiligendamm begegnen dem Ansinnen mit Skepsis und würden sich auf eine Hinhalte-Taktik verlegen, so Riekenberg. „Die wissen offenbar nicht, was auf sie zukommt und was so ein Protest eigentlich ist“, vermutet er. Momentan führt die Camp AG nach eigenen Angaben Gespräche mit Bürgermeistern im Amtsbereich Bad Doberan. Einzelne Gesprächspartner hätten bereits zugesagt, sich im Gemeinderat für das Anliegen der Camp AG stark zu machen. Dennoch vermisst Riekenberg den „Willen, sich wirklich intensiv der Lösung des Platzproblems zu widmen“. Sollte es nicht gelingen, die geeigneten Flächen zu bekommen, sieht die Camp AG das Land in der Pflicht, für die Unterbringung der Protestler zu sorgen.
Ein Ansinnen, dass das Innenministerium in Schwerin energisch zurückweist. „Wir sind nicht verpflichtet, irgend etwas zur Verfügung zu stellen“, so Sprecherin Marion Schlender gegenüber der MAZ. Das gelte ebenso für die Kommunen vor Ort. Das Innenministerium würde es aber begrüßen, wenn Camp AG und Gemeinden zu einer einvernehmlichen Lösung kämen. „Es ist sicher im Interesse aller, wenn es zu einer Einigung kommt. Die Gemeinden haben dann Kontrolle darüber, wo gecampt wird, und die Polizei kann leichter für Ordnung sorgen“, so die Sprecherin. „Die Leute kommen nämlich ohnehin, auch wenn es kein offizielles Camp gibt.“ In einer Pressemitteilung hatte die Camp AG bereits gedroht, sie werde individuelle Lösungen finden, falls die Gemeinden rund um Heiligendamm nicht genügend Platz zur Verfügung stellten. Das soll im Klartext wohl heißen: Dann campen wir, wo es uns passt, und ihr habt den Schaden. Konkret wollte Adolf Riekenberg diese Drohung aber nicht bestätigen.
Auch die Pressestelle der extra für den G8-Gipfel eingerichteten Sonderpolizeieinheit „Kavala“ verweigerte mit Hinweis auf die laufenden Verhandlungen die Auskunft. Derweil ärgert sich die Camp AG über die jüngst bekannt gewordenen Pläne, um den umstrittenen Zaun um Heiligendamm noch eine zehn Kilometer breite Sicherheitszone zu ziehen, in der nicht protestiert oder gecampt werden darf. „Wir werden diese Zone nicht akzeptieren“, erklären die Gipfelgegner, freuen sich aber über die hohe Zahl der eingesetzten Polizisten: „Das zeigt, dass die internationale Protestbewegung ernst genommen wird.“

Erschienen am 28.02.2007

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