Fein-bürgerlich im Grafenschloss

Mitten in der Uckermark, zwischen Seen und Wäldern, fühlten sich schon die Arnims Jahrhunderte lang wohl. Ihr einstiger Stammsitz, das Schloss Boitzenburg, steht heute jedermann offen.

Auf dem Portikus sitzt es sich gräflich. Das säulengetragene Dach schützt vor der Mittagssonne, der Blick schweift über den Park zum Schlossweiher, die Kellnerinnen eilen mit voll beladenen Tabletts treppauf, treppab zur weitere 80 Plätze umfassenden Terrasse. Helge Leopold klappt die riesige, ledergebundene Karte zu, lehnt sich in seinem Korbsessel zurück und sagt, beim „saftigen Wildspieß auf Rotwein-Orangensoße mit Bechamélkartoffeln und überbackenem Fenchel“ müsste er nicht mehr weiterlesen – da hätte er sein Wunschgericht gefunden.

Leopold muss es wissen. Gemeinsam mit der Küchenchefin und der Restaurantleiterin kostet der Gastronomie-Chef des Schlosses Boitzenburg – seine genaue Berufsbezeichnung lautet „Food-and-Beverages-Manager“ – jedes Gericht, bevor es auf der Karte erscheint. Das ist eine härtere Arbeit, als es scheint, sagt er lächelnd, denn mit Rücksicht auf die Figur müsse es beim Probieren bleiben. Schloss Boitzenburg ist die zentrale Attraktion des gleichnamigen kleinen Städtchens im Herzen der Uckermark. Die Arnims haben dort – mit kurzen Unterbrechungen – seit dem Mittelalter gewohnt, und da nahezu jeder Schlossherr so seine Aus- und Umbauten an dem Gebäude tätigte, ist ein abenteuerlicher, aber romantischer Mix sämtlicher Baustile der letzten 500 Jahre daraus entstanden. Nach umfangreicher Restaurierung dient das Schloss heute als Hotel, der einst gräfliche Marstall ist zur Schlossbäckerei, Schokoladenmanufaktur und Kaffeerösterei umfunktioniert worden.

Seit 2003 ist das Restaurant in Betrieb, dass sich „fein-bürgerliche Küche mit großbürgerlichen Portionen zu bürgerlichen Preisen“ auf die Karte geschrieben hat. Der Grundgedanke hinter allem lautet Regionalisierung. Es gibt landestypische Gerichte mit Zutaten aus uckermärkischen Wäldern und Seen zu Preisen, die auch in einer strukturschwachen Region bezahlbar sind: Fischsuppe mit Frischkäsepfannkuchen kostet 4,50 Euro, Matjes an jungen Kartoffeln 9,50 Euro und Kräuterschnitzel an Sommerspargel 12,90 Euro. Küchenchefin Regina Rosin hat aber auch Ambitionierteres in petto: Gebratenes Rumpsteak auf Holler-Sternanissoße an Rotweincharlotten und Steckrübenpürree, Kaninchenkeule in Lavendel-Senfsoße oder Scholle auf Cassis-Sahnecremé bekommt der Gast eben nicht an jeder Ecke, auch wenn die zubereiteten Speisen manchmal nicht ganz so inspiriert schmecken, wie sie sich lesen. Das Rumpsteak etwa, immerhin Höhepunkt und teuerstes Gericht der Karte, erweist sich eher als gut durch- denn als medium gebraten, und die Holler-Sternanissoße lässt Ausgewogenheit vermissen, die auch die draufgekleckste Holundermarmelade nicht ausgleichen kann.

Kaffeerösterei und Schokoladenmanufaktur im Marstall sind nicht nur eine zusätzliche Touristenattraktion – den fleißigen Damen kann dank großzügiger Glasscheiben beim Confiserie-Handwerk und der Kaffeeröstung zugesehen werden. Von ihnen profitiert auch das Restaurant: Der Pralinen-Eisteller zum Nachtisch mit handgeschöpften Pralinen im Karamellkörbchen hat dem Schlossrestaurant bereits einigen Ruhm eingebracht, und die selbstgerösteten Kaffeesorten zeichnen sich durch kaum noch wahrzunehmende Restsäure aus. Raritäten wie wilder äthiopischer Waldkaffee sorgen dafür, dass auch experimentierfreudige Kaffeefreunde sich nicht langweilen, die Schlossmischung aus mildem Hochlandkaffee aus Guatemala und Brasil Santos ist höchst magenfreundlich und wer gern fülligen Geschmack in der Tasse hat, greift zum Costa Rica Tarrazu.

Um soviel gutes Essen zu verdauen, empfiehlt sich im Anschluss ein Spaziergang durch den Schlosspark oder der kurze Aufstieg zum Pavillon auf dem Hügel gegenüber, von dem aus sich ein imposanter Blick auf das Schloss eröffnet. Kinder können derweil den Streichelzoo besuchen oder über die weitläufige Anlage toben.

Info: Schlosshotel Boitzenburg, Templiner Straße 13, Tel. 039889/ 50930 , www.schloss-boitzenburg.de

Erschienen am 09.08.2008

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