Zu früh gefreut

Jan Bosschaart über die Tücken der Liebe unter radbewehrten Schildkröten

Glück, schrieb ein sehr kluger, aber auch sehr abgeklärter Mann, sei auch nichts weiter als die Erleichterung, wenn ein lange währendes Unglück plötzlich vorüber ist. So müssen wir uns Jerusalems prominenteste Schildkrötendame als glückliches Reptil vorstellen: Jahrelang war die einst fröhliche Echse völlig am Boden, weil ein böses Geschick ihr die Hinterbeine lähmte. Doch im Zoo, wohin sie kürzlich gebracht wurde, montierte man ihr einen Wagen unters Gesäß. Seither flitzt die Dame quietschend, aber putzmunter übers Gelände. Nun hat sich die behände Kröte gar stante pede ins Herz eines Schildkrötenmanns gerollt. Der Herr sei sehr beeindruckt, heißt es, und laufe ihr – obgleich radlos – unermüdlich hinterher. Jerusalems Behindertenverband feiert das als Beleg, dass selbst im Tierreich Behinderung kein Verhängnis für die Liebe sein muss. Langsam, Freunde! Abgeklärt betrachtet käme auch eine Mischung aus männlichem Vehikelneid und technischer Neugier als Motivation in Frage. Hoffen wir, dass sich die Dame, sobald sie’s entdeckt, keinen Charakterpanzer zulegt.

Erschienen am 20.08.2008

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