Vom Bürohengst zum Superhelden

Timur Bekmambetovs „Wanted“

Er ist zu allem Übel auch noch geräuschempfindlich, der frustrierte Büroangestellte Wesley Gibson (James McAvoy). Wenn nachts die Züge direkt am Fenster seiner Absteige vorbeidonnern oder seine übergewichtige, schikanöse Chefin ihren zur Allzweckwaffe missbrauchten Tacker seinem Ohr nähert: Gibson zuckt ständig zusammen. Auch sonst führt er eine erbärmliche Existenz. Ängstlich schleicht er durch den Arbeitsalltag als verlachte Null im Großraumbüro. Dass sein vorgeblich bester Freund und Kollege währenddessen zuhause Gibsons Freundin beglückt, ist da nur das Sahnehäubchen der Demütigung.
Das ändert sich dramatisch, als beim nächsten Beruhigungsmittelkauf die geheimnisvolle Fox (Angelina Jolie) an der Kasse auf Gibson wartet und ihm in aller Kürze mitteilt, dass er der Sohn eines legendären Auftragsmörders sei. Prompt wird heftig geschossen, denn der Mörder des Vaters will nun auch dem Sohn ans Leder.
Es ist der Auftakt zu einer knapp zweistündigen Actionhatz, in der die Gesetze der Physik, die Logik des Drehbuchs und eine dichte Story nicht viel gelten: Dafür gibt es rasante Action auf der Straße, in Zügen und Schluchten. Dem Anschlag mit knapper Not entkommen, lernt Wesley, dass sein Vater Mitglied eines Geheimbundes war, der sich die „Waffen des Schicksals“ nennt. Aus einem mystischen Webstuhl erfährt diese Bruderschaft um den charismatischen Sloan (Morgen Freeman), wer als nächstes zu töten sei. Fragen werden nicht gestellt, das Urteil des Gewebes ist eine Schicksalsbotschaft. Hinnehmen muss das auch der Kinobesucher, denn Weiteres über den ominösen Webstuhl und die Hintergründe dieser ethisch höchst bedenklichen Clique lässt der Film im Dunkeln. Vor der Aufnahme in den Zirkel und der Rache am Mörder des Vaters muss sich Gibson ebenfalls zum Vollstrecker des Webstuhls ausbilden lassen, eine Tortur, die selbst im Kinosessel Schmerzen bereitet.
Im Grunde sind es längst bekannte Motive, die der in Kasachstan geborene Regisseur Timur Bekmambetov in seinem auf einer Comicvorlage basierenden ersten Hollywood-Film verarbeitet: Der ängstliche Normalo wird unter Druck zum Superhelden, vermeintliche Förderer entpuppen sich als korrumpierte Manipulateure und die Suche nach dem Vater enthält wesentlich mehr als nur einen Spritzer Ödipus.
Dass „Wanted“ dennoch 110 Minuten lang ganz gut unterhält, ist neben dem hohen Tempo, das kaum Zeit zum Nachdenken lässt, vor allem dem hervorragenden Schauspielerensemble zu verdanken: James McAvoy („Der letzte König von Schottland“) gelingt es gar, die vom Film kaum hinterfragte Wandlung vom Bürohänger zum Bruderschaftshelden überzeugend darzustellen, Morgan Freeman wirkt als charismatischer Bruderschaftsvorsteher fast schon unterfordert – und beeindruckt darum umso mehr. Das restliche Ensemble hat kaum Sprechakte und bleibt entsprechend unauffällig.
Lediglich Angelina Jolie beweist erneut, dass ihr die verführerische, arrogante Amazone immer noch am besten liegt: Ein spöttisches Zucken ihres Mundwinkels, und viele Schwächen des Films sind verziehen. Etwa das Ende, das nicht nur vorhersehbar, sondern in seiner gnadenlosen Überfrachtung mit Action und Gewalt nur noch ermüdend ist.

Erschienen am 04.09.2008

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