Ein Neonazi wird weinerlich

Eklat: Zossener Stolpersteingegner ist gerichtsbekannter Holocaust-Leugner / Offener Brief an die Stadt

Was mag den Mann nur bewogen haben, gegen die Stolpersteine zu wüten? Das fragten sich viele Zossener am Donnerstag. Die Antwort ist so simpel wie erschreckend: Er ist ein bekannter Holocaust-Leugner.

ZOSSEN|  Natürlich ist es kein Versehen, dass der leere Bierkasten, der vor dem Zossener „Medienkombin@t“ auf dem Boden steht, die zwei Stolpersteine verdeckt. Es ist pure Absicht, eine Provokation. Rainer Link, der Inhaber dieses Internetcafés, hat sich für die kleine Lösung entschieden: Die Stolpersteine, die vor seinem Geschäft daran erinnern sollen, dass dort, in der Berliner Straße 11, einst Juden wohnten, wollte er zunächst „rausreißen“ und außerdem gerichtlich dagegen vorgehen. Das Rausreißen hat er sich dann wohl nicht getraut, und zumindest bis gestern lag auch am Amtsgericht noch keine Beschwerde des Gewerbetreibenden vor, der anlässlich der Verlegung der Steine am Donnerstag die Kontrolle verlor, Bürger beschimpfte und einem städtischen Mitarbeiter die Kamera entriss, wobei er ihn verletzte (MAZ berichtete). Dafür aber wurde inzwischen zur Gewissheit, was noch am Donnerstag nur vermutet werden konnte: Rainer Link ist ein bekennender Rechtsradikaler, der bereits mehrfach von Gerichten zu Geldstrafen verurteilt wurde, weil er aktiv die so genannte „Holocaust-Lüge“ vertritt, also öffentlich und vehement behauptet, es habe den Mord an sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten nie gegeben.
Link bewegt sich dabei im Dunstkreis des sehr prominent als Holocaust-Leugner hervortretenden Anwalts Horst Mahler und war zeitweise Schatzmeister des mittlerweile verbotenen „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten“, einem Zusammenschluss, dem neben Mahler so bekannte Holocaust-Leugner wie Ernst Zündel, Robert Faurisson und Anneliese Remer angehörten. Dass nun einem Fanatiker wie Rainer Link, der seit Jahren durch die Lande zieht, um zu behaupten, den Holocaust habe es nie gegeben, ausgerechnet zwei Gedenksteine für ermordete Juden vor die Ladentür gelegt werden, muss als Ironie des Schicksals gelten.
In Zossen wusste jedenfalls bis zum letzten Donnerstag niemand etwas von den Überzeugungen des Neubürgers, der vor drei Jahren aus Berlin in die Stadt zog, unter anderem, weil ihm in der Hauptstadt niemand mehr eine Wohnung vermieten wollte, wie Rechtsextremismus-Experte Maurice Reisinger berichtet, der seit Jahren die Gruppe der Holocaust-Leugner beobachtet und zu diesem Thema forscht. In Zossen erwarb Link das Geschäft in der Berliner Straße 11 in Unkenntnis dessen, dass dies früher ein jüdisches Wohnhaus war, und richtete im Untergeschoss sein Internetcafé ein. „Wenn ich gewusst hätte, dass in dem Haus jemals Juden gewohnt haben, hätte ich das Objekt nie gekauft“, klagt Link in einem offenen Brief an Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber. Darin beschwert er sich nachdrücklich darüber, „hinterrücks besteinigt“ worden zu sein und über den „barschen Tonfall“ am Tag der Verlegung. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, war es doch Rainer Link selbst, der einen städtischen Angestellten verprügeln wollte und mehrere Umstehende schubste und anschrie. Dann schimpft er über den „Meinungsterrorismus“ beim Thema Juden, den „volksverhetzenden Artikel“ in der MAZ und klagt, er müsse nun um sein Geschäft und sogar sein Leben fürchten, ja er habe sogar Polizeischutz beantragt. Bislang sind allerdings nur unfreundlich dreinblickende junge Männer in Bomberjacken zu sehen, die hinter dem Schaufenster demonstrativ auf die Straße starren – unter anderem zum abgedeckten Stolperstein.
Aus seinen Überzeugungen macht Rainer Link in dem Brief keinen Hehl mehr, er erzählt von seinen Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung, klagt über „Gedenkknechtschaft“ und „Zwangsandenkenoktroy“, nennt die Stolpersteine „Schuldkultsteine“ und verlegt sich darüber hinaus auf eine Mischung aus Drohen („Ich werde Sie für alles haftbar machen“, „Ich investiere keinen Euro mehr“) und Weinerlichkeit („Zossen ist für mich zu einem Alptraum geworden“, „Ich schlafe in meinen Gewerberäumen, um präsent zu sein, sollte die verhetzte Meute meinen Laden überfallen“).
Die Kraft, zu provozieren ist Rainer Link aber erhalten geblieben. Schon seit Montag bedeckt der Bierkasten die Stolpersteine, daran hat der Unternehmer einen Aufsteller gelehnt. Zossens Ordnungsamtsleiter Hartwig Ahlgrimm versprach, noch am selben Tag Mitarbeiter vorbeizusenden, doch konnten sich diese entweder nicht durchsetzen, oder die Sturheit des Rainer Link war stärker: Am Abend bedeckte die Bierkiste die Steine nach wie vor. Auch am gestrigen Dienstag waren die Steine während der Öffnungszeiten des „Medienkombin@ts“ nicht zu besichtigen. Die Idee, den Kasten zur Seite zu schieben, dürfte den meisten Passanten angesichts der grimmig schauenden Herren hinter der Scheibe schnell vergangen sein. Bürgermeisterin Michaela Schreiber versprach gegenüber der MAZ aber, man werde sich schnell darum kümmern.
Das sollte durchaus im Interesse der Stadt sein. Neben Gerd Walther, einem anderen Mitstreiter Horst Mahlers, wohnt nun ein weiterer, bundesweit bekannter Holocaust-Leugner in der Stadt, und die Schlagzeilen verbreiten sich schnell. Bedenkt man, dass mit dem Berliner NPD-Vorsitzenden Jörg Hähnel in Kummersdorf-Alexanderdorf und dem NPD-Granden Matthias Ridderskamp in Blankenfelde bereits vier Neonazi-Größen den Weg aus Berlin in den Altkreis Zossen gefunden haben, sind Sorgen um den Ruf der gesamten Region angebracht.

Erschienen am 26.11.2008

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