Die Klinge wird stumpf

Jan Bosschaart über reale und vermeintliche Baufrevel und die Rolle der Verwaltung dabei

Bauen wir, wie es die alten Meister taten oder geben wir moderner Architektur eine Chance – das ist zur Gretchenfrage der öffentlichen Baudiskussion der letzten Jahre geworden, nicht nur, aber besonders in Potsdam. Die Debatten werden erbittert geführt, und sie beschränken sich keineswegs auf öffentliche Gebäude. Erinnert sei an die Lennéstraße 44 oder die aktuelle Diskussion um die Seestraße 7. Von Kritikern wird dann gern das Battis-Schwert geschwungen und impliziert, alle Schuld liege bei der Bauverwaltung, deren Schwächen der Bericht des gleichnamigen Baurechtlers 2007 aufdeckte. Doch jede zu oft geschwungene Klinge wird stumpf, und nicht jeder Fehler der Vergangenheit taugt zur Erklärung aktueller Entscheidungen. Im Falle der Seestraße7 konnte die Verwaltung überzeugend erklären, warum sie den Bauherren mit seiner anspruchsvollen Architektur von einigen Bestimmungen befreit. Das war im Fall Lennéstraße44 noch ganz anders, wo der Chef-Stadtplaner jede Begründung verweigerte. Die Gegner des Neubaus sollten daher die Battis-Klinge ruhen zu lassen. Die Stadt hat sich nicht ins Schema „alt oder modern“ zwingen lassen, sondern am Einzelfall entschieden – für einen dritten Weg: Einen modernen Bau, der die alten Meister interpretiert.

Erschienen am 15.01.2009

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