Nachwuchs im Simulator-Park

Lufthansa Training mit neuer Boeing 737 / Nachfrage in der Pilotenausbildung ungebrochen

SCHÖNEFELD War ja klar, dass es so kommen musste. Wenn ein Schreiber sich als Flieger versucht, ist die Bruchlandung programmiert. Wir setzen hart auf in Hong Kong. Zu hart. Die Boeing 737 bockt und springt wieder von der Landebahn hoch, bekommt eine bedrohliche Schieflage und schlägt dann schräg und mit der Nase voran auf den Asphalt. Das Bild friert ein. „Game Over“ sagt der Flugtrainer trocken, und die Häme ist unüberhörbar. „Maybe you shouldn’t consider becoming a pilot“ setzt er hinterher, in dem für Franko-Kanadier typisch französisch klingendem Englisch. Die Eleganz dieser Aussage ist unübersetzbar. De facto heißt es: Trottel!

Es ist der achte Flugsimulator in den Hallen der Lufthansa Flight Training (LFT) in Schönefeld, der an diesem Tag in Betrieb genommen wird. Und der erste der Firma Mechtronix aus dem kanadischen Quebec. „Wir haben uns für das Gerät entschieden, weil uns die Qualität, Zuverlässigkeit und der attraktive Preis überzeugt haben“, sagt LFT-Chef Florian Hamm zur Einweihung. Die geringeren Kosten könnten direkt an die Kunden, die ihre Ausbildungsstunden auf dem Gerät buchen, weitergegeben werden, fügt er an. Angesichts ungebrochen großer Nachfrage an Piloten und Pilotenausbildung ein Argument, das die Kundschaft gern hört. Der Trend zum Billigflieger mag den Bedarf erhöht haben, doch Easyjet, Germanwings & Co. haben auch die Kosten schärfer im Blick. Hauptkunde auf dem Mechtronix-Gerät wird die Tui Fly sein, die Fluggesellschaft des großen Touristik-Konzerns. „Wir benutzen das Gerät schon jeden Tag und sind sehr zufrieden“, verrät Joachim Kramer, Leiter der Piloten-Ausbildung bei der Tui Fly. Man habe lange mit sich gerungen, selbst einen Simulator anzuschaffen und schließlich entschieden, das lieber in den bewährten Händen der LFT zu belassen. „Unsere Kompetenz besteht darin, von A nach B zu fliegen. Das Training überlassen wir lieber den Profis“, so Kramer.

Da der Verkauf eines Simulators selbst für ein Unternehmen wie Mechtronix ein großes Ereignis ist, ist fast der gesamte Führungsstab nach Schönefeld gekommen. Geschäftsführer Xavier Herve übergibt ein zusätzliches Ausstattungsmerkmal des Simulators an Hamm und Kramer: Das integrierte Pain-Relief-System (Schmerz-Minderungs-System) in Form von zwei Flaschen Champagner.

„Es wäre ein Traum, mal für Euch zu arbeiten“, bekennt Florian Hamm im Gegenzug, der vor dem Kauf die Firma in der kanadischen Provinz Quebec besucht hatte. Betriebsklima und Führungsstil hätten ihn nachhaltig beeindruckt. Angesichts des Durchschnittsalters von 18 bis 23 Jahren unter den jungen Ingenieuren werde es aber wohl ein Traum bleiben.

Nach so vielen freundlichen Worten dürfen die Besucher der Einweihung selbst im Cockpit Platz nehmen und für 15 Minuten durch die Welt jetten – auf Wunsch auch selbst am Steuerknüppel. Nun scheiden sich die Luftfahrtprofis von den Presseleuten, die sehr schmerzhaft erfahren müssen, dass das Wort Schmierfink auf der ersten Silbe betont wird und mit Fliegen wenig zu tun hat. Selbst der Kollege, der in seiner Freizeit mit dem Segelflugzeug nach Höherem strebt, ist vom originalgetreuen Cockpit der 737 hoffnungslos überfordert. So sehr, dass er vor Aufregung auf der Startbahn mit dem Steuer zu lenken versucht, statt mit den Ruderpedalen. Los geht’s in Tegel, die Nase zeigt nach Osten, das Wetter ist im Wortsinn blendend. Der Start ist noch relativ einfach: Bremsen lösen, Gas geben, die Spur halten und im richtigen Moment hochziehen. Der Kollege ist dennoch in Schweiß gebadet. „Warm hier!“ sagt er. Ja, klar. Einmal in der Luft, entspannt er sich, ein Zustand, der dem kanadischen Trainer gar nicht behagt. Er lässt es nun richtig krachen: Dunkelheit, Nebel, Schneetreiben, drei entgegenkommende Maschinen – der arme Hobbyflieger ist voll beschäftigt. Erst der Anblick des Hongkonger Flughafens, traumhaft beleuchtet, entspannt ihn wieder. Es wird nicht lange anhalten. Die sechs Hydrauliksäulen, die das Cockpit in jede erdenkliche Richtung neigen können, bewegen sich nicht immer so butterweich. Sie können auch anders: Etwa, wenn die Nase des Riesenvogels mit einem gewaltigen Rumms auf die Landebahn kracht.

Erschienen am 08.06.2007

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