Dünnschiss auf dem Jakobsweg

„No jokes on names“ – keine Witze über Namen, sagt der Engländer. Es ist zugleich eine journalistische Grundregel geworden, die eigentlich nur die anarchistische TAZ brechen darf („Castro nicht mehr fidel“, titelte sie angesichts der Erkrankung von Kubas Staats-Chef). Schade eigentlich, denn das enthebt uns einiger schöner, bunter Möglichkeiten, auf niedrigem intellektuellen Niveau das Thema Uferweg am Griebnitzsee zu kommentieren. Als da wären: das Stolpern der Stadt zum freien Weg – nach ihrem Oberbürgermeister – als Jakobsweg zu bezeichnen. Oder der Potsdamer CDU, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach offenen Wegen und den Eigentumsbegriffen ihrer Kernwählerschaft, nach ihrem Babelsberger Vorsitzenden Hans-Wilhelm Dünn, Schiss zu unterstellen. Oder die Differenz zwischen dem Preis, den der Bund gern für einen Quadratmeter Uferland am Griebnitzsee hätte und der Summe, die die Stadt nun dafür zahlt, nach ihrem Bürgermeister als „ein Exner“ zu bezeichnen. Ein Exner wäre demnach 32,50 Euro wert. Auch können wir dank der unschönen Regel nun nicht behaupten, im Behördendeutsch habe sich für das preisliche Über-den-Tisch-Ziehen bei solchen Verkäufen das Verb „krusemarken“ geprägt – nach der Chefin des Rechtsamtes und Hauptunterhändlerin der Stadt. „Der wurde aber schwer gekrusemarkt“, wäre gerade für Haushaltsverhandlungen eine hübsche Formulierungshilfe. Geht aber leider nicht; schade, schade. Das Leben ist halt kein Kirschgarten. Noch schwerer wiegt, dass die ablehnende Haltung der FDP/Familienpartei in der Uferwegfrage – die Fraktion hätte von den nötigen 2,6 Millionen Euro lieber Radwege gebaut – nun auch nicht als ein ziemliches Utting gebrandmarkt werden darf – obgleich Brian Utting genau diese Begründung an die Medien übermittelte. Vielleicht sollte sich der Baubeigeordnete mal Klipp und klar davon distanzieren, oder, etwas TACKtvoller, die scheidende Bauausschuss-Chefin.. Autsch, das war jetzt wirklich unterste Schublade, zugegeben.
Rettung aus dieser verfahrenen Lage bietet dann ganz unverhofft jenes journalistische Lehrbuch, das erklärt – wir zitieren aus lauter Freude nahezu wörtlich – eine Ausnahme von der Regel bestehe lediglich für Glossen, denn die Glosse dürfe nicht nur alles, der Bruch mit allen Regeln sei geradezu ihr „Wesenskern“. Also jetzt bitte kein Jäkeln mehr! „No jokes on names“ hat seine Berechtigung, doch ist es gut, dass es das „Was bleibt“ gibt. So lassen sich die Regeln auch mal austricksen, Verzeihung: krusemarken.

Erschienen am 19.11.2009

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