Schade eigentlich!
Schade eigentlich, dass die Wahl schon wieder vorbei ist. Man hat so gar nichts gemerkt davon. Erste freundliche Menschen machen sich bereits daran, die inhaltsleer grinsenden Kandidatengesichter von den Laternenmasten zu schälen. Manchem Mandatsbewerber ist das Grienen im Laufe des Sonntagabends ohnehin vergangen, und das überhebliche Feixen der Sieger will auf die Dauer erst recht niemand sehen. Es erinnert den Bürger zu schmerzlich daran, dass die Freude beim Kreuzen kurz und die Reue beim Regiertwerden lang ist. Passend zur politischen Stimmung hat sich mit der großen Koalition auch der Sommer verabschiedet. Jetzt ist es kalt in Deutschland, dunkel und grau, das Leben fällt von den Bäumen. Sagen jedenfalls die Verlierer. Die Gewinner hingegen versprechen mehr netto als brutto, frische Atomkraftwerke und einen festen Platz der Türkei in der Arabischen Liga – statt in der EU. Im Land haben es zumindest die Grünen wieder in den Landtag geschafft – wenn auch nur in die Opposition. Sie werden sich wohl vergeblich am Ausstieg aus der Kohle aufreiben, statt sich um das Problem zu kümmern, das die Landeshauptstädter wirklich bedrückt: die immens wachsende Zahl von Riesenjeeps in Potsdam, die trotz Klimawandels und Abwrackprämie täglich um zehn Exemplare zuzunehmen scheint. Vorsichtigen Schätzungen zufolge verlängern diese in der Stadt völlig sinnfreien Cayennes und Qashqais den ohnehin nervigen täglichen Stau um den Faktor zwei und die Parkplatznot in der Innenstadt sogar um den Faktor drei: Weil die rollenden Kompensationsmechanismen zwei Parkplätze brauchen und der Fahrer sich qua gesellschaftlichem Status und Geldbörse den albernen Linien, die den Parkplatz begrenzen, ohnehin nicht verpflichtet fühlt. Er steht außerhalb des gesellschaftlichen Mainstreams und daher auch der Verkehrsregeln, und auch den Treibhauseffekt kommentiert er eher schulterzuckend mit: „Was kümmert mich Euer Klimaelend? Wenn die Ostsee dereinst bis Berlin reicht, weil Holland als Vorfluter untergeht, kaufe ich mir halt eine Finca im südamerikanischen Hochplateau.“ In solchen Momenten gewinnt dann die Idee an Charme, die Abgase aller Autos mit mehr als 300 Milligramm Kohlendioxidausstoß zur Vorklärung zunächst durch den Innenraum des Fahrzeugs zu leiten und den Lenker als Biofilter zu benutzen. Wird sich aber natürlich mal wieder nicht durchsetzen, diese grandiose Idee, weil die Grünen mal wieder Mopsfledermäuse schützen. Oder, wie in Potsdam, mit der Errichtung eines gesamtstädtischen Freilichtmuseums befasst sind. Schade eigentlich.
Erschienen am 30.09.2009