Grube in Aufruhr

60 Linke, 30 Rechte, 40 Polizisten: Das Dorf als Schauplatz eines Konflikts, der eigentlich nach Berlin gehört

Weil der Vermieter eines Bekleidungsgeschäfts für Rechte in Grube gemeldet ist, kam es dort am Sonntag zu gleich zwei Demonstrationen.

Es gab ein böses Erwachen für Grube an diesem schönen Frühlingssonntag: Von einigen Straßenbäumen baumelten Galgenschlingen, auf Beton und Asphalt waren mit Kreide rechte Parolen geschmiert, Thor-Steinar-Aufkleber verunzierten die Leitplanken. Zwar hatten Ordnungsamt und Polizei das meiste schnell entfernt, doch sahen viele Gruber ihre böse Vorahnung bestätigt: Bereits als in der letzten Woche die Antifa und die Fraktion „Die Andere“ eine Demonstration in dem kleinen Ortsteil angekündigt hatten, um dem Vermieter eines Geschäftes für „rechte“ Bekleidung in Berlin-Weißensee ihren Protest vor die Haustür zu tragen, zeigte sich der Ortsbeirat besorgt, dass damit „politische Auseinandersetzungen“ in die „Privatsphäre“ getragen würden, man fürchtete gar „Straßenschlachten“.
Der Sonntagmorgen war da kein gutes Omen. Klammheimlich waren die Rechten in der Nacht vorgegangen – doch vielleicht nicht taktisch klug. Denn die Polizei reagierte sofort und setzte statt wie geplant ein Dutzend Beamte noch Einheiten der Bereitschaftspolizei ein, so dass am frühen Nachmittag schon 40 Polizisten in dem in der Mittagsruhe dämmernden Dorf standen, als sich rund 30 Rechte am Ortsrand versammelten. Die Polizisten fingen sie ab. Da die Rechten keine Veranstaltung angemeldet hatten, wollte Einsatzleiter Karsten Blöss sie wegschicken, doch die Herren erwiesen sich als geschult und beantragten eine „Eilversammlung“ mit dem Thema „Gegen linke Gewalt“. Der musste Blöss stattgeben, weil das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit höher wiege als die Nicht-Anmeldung, sagte er nachher. Er sorgte aber dafür, dass die Herren am Ortsrand stehen blieben und sicherte das mit einem Dutzend Polizisten ab. Zudem nahm die Polizei von allen die Personalien auf, für den Fall, dass sie Straftaten begehen würden – allein diese Maßnahme dezimierte die Gruppe im Nu auf 20. Auch die mitgebrachten Fahnen und Transparente unterzog die Polizei einer Vorprüfung. Aus einem Kofferraum mit Reichsadler-Bedruck, der statt des Hakenkreuzes aber das Logo einer – natürlich deutschen – Automarke zeigte, holten die Rechten zwei Reichskriegsflaggen und ein Transparent, das dazu aufrief „antifaschistische Strukturen zu zerschlagen“. „Ist leider legal“, sagte trocken dazu der überprüfende Polizist.
Indes waren auch die eigentlichen Demonstranten per Bus angelangt: Hannes Püschel von der „Anderen“ und sieben weitere Mitstreiter, darunter Martin Sonnenburg von der Berliner Initiative „Kein Kiez für Nazis“. „Dann hat sich’s ja gelohnt, dass wir die Demo nicht abgesagt haben“, meinte Püschel trocken mit Blick auf die rechte Front. Sonnenburg indes klärte nochmal über die Gründe auf: Seit einiger Zeit gibt es einen Thor-Steinar-Laden in der Berliner Allee in Berlin-Weißensee. Der Vermieter wohne in Grube, und da man ihn gern bitten würde, den Laden anderweitig zu vermieten, ihn aber nicht erreiche, schaue man nun vorbei, sagt Sonnenburg. Zwar hatte der Ortsbeirat schon recherchiert, dass der Mann zurzeit in Thailand im Urlaub ist, aber Sonnenburg hoffte, die Gruber dazu zu bringen, ihn auf das Problem anzusprechen. In Weißensee habe sich längst eine parteienübergreifende Koalition gebildet, die den Vermieter auffordert, anders zu vermieten, doch bislang sei man noch nicht im Gespräch. Ob der Mann selbst Neonazi sei oder einfach nur Geschäftsmann, der an den Meistbietenden vermiete, konnte Sonnenburg nicht sagen.
Ins Gespräch kamen die Linken, deren Zahl im Laufe des Nachmittags dank Linienbussen und Fahrrädern noch auf 60 anwuchs, aber weder mit Vermieter noch mit den Rechten – die Polizei hielt die Gruppen säuberlich getrennt – noch mit den Grubern. Die standen zwar an Gartentoren, lugten hinter Gardinen vor oder beobachteten das Geschehen in einer größeren Gruppe aus gehörigem Abstand, mochten sich aber nicht zu längeren Meinungsäußerungen hinreißen lassen. „Überflüssig“, „gespenstisch“ und „die sollen uns in Ruhe lassen“ war das einzige, was ihnen an Kommentaren zu entlocken war. Carola Walter, die als einzige vom Ortsbeirat gekommen war, ärgerte sich vor allem über drei Gartenzwerge, die für „nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ standen und von den Linken an die Hauptstraße gepflanzt wurden. Das sei „eine völlig überflüssige und deplatzierte Provokation“, sagte sie. Die Demonstranten nahmen die Zwerge darauf hin weg – um sie vor den Rechten erneut aufzupflanzen.

Erschienen am 27.03.2012

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