Archiv für die Kategorie „Kommentar“

Diskriminiert im Parkhaus

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Da wird nun im Alltag alles auf Gedeih und Verderb „durchgegendert”, auf dass die Gleichstellung von Frau und Mann auch in der Sprache vollzogen sei, da wird — deshalb „Verderb” — jedwede Sprachlogik und -schönheit missachtet. Von „Studierenden” und „Arbeitenden” wird gefaselt, obwohl doch Studenten und Arbeiter gemeint sind, denn „studierend” ist nur, wer gerade in Hörsaal oder Bibliothek sitzt, Student hingegen jeder an einer Uni eingeschriebene und „arbeitend” nur, wer gerade jetzt arbeitet, sobald er aber Feierabend hat, wird aus dem Arbeitenden ein Arbeiter. Da müssen wir das Binnen-I erleiden, das spätestens beim Aussprechen plötzlich die Männer diskriminiert („MitarbeiterInnen”) und der Verweis darauf, dass es im Deutschen nicht ohne Grund ein geschlechtsneutrales Maskulinum gibt, das Mann getrost verwenden kann, verhallt ungehört. Da passiert all das, und dann findet sich plötzlich im Parkhaus der Bahnhofspassagen das Schild „Frauenstellplatz” — fünf Zentimeter über der Mülltonne angebracht. Wären die Gleichstellungsbeauftragten dieses Planeten nicht mit der Verhunzung der Sprache ausgelastet, hier böte sich ihnen mal ein echtes Betätigungsfeld.

Tricks, Finten und eine ehrliche Linke

Freitag, 1. August 2014

Die Entscheidung der Stadtverordneten zum Garnisonkirchen-Bürgerbegehren wirft viele Fragen auf — hier einige Antworten

Bürgerbegehren, Bürgerentscheid, Stadtverordnetenbeschluss — ich sehe nicht mehr durch. Was hat das zu bedeuten?

Die Initiative gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche hat ein Bürgerbegehren angestrengt, in dem sie Unterschriften gesammelt hat. Sobald eine gesetzlich geregelte Zahl von Potsdamern unterschrieben hatte — zehn Prozent oder knapp 14 000 Einwohner —, musste sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Thema befassen. Das hat sie am Mittwoch getan. Ihr blieben genau zwei Optionen: Sie konnte das Bürgerbegehren annehmen — was sie getan hat, und damit ist der Bürgerwille politisch umgesetzt —, oder sie konnte es ablehnen. Dann wäre es zu einem Bürgerentscheid gekommen: Alle wahlberechtigten Potsdamer wären an die Urnen gerufen worden, um ihre Meinung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche kund zu tun.

Die Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen, Potsdamer Demokraten und Freien Wählern unter Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist doch für den Wiederaufbau. Warum hat sie dann mit ihrer Stimmenthaltung dem Bürgerbegehren der Wiederaufbaugegner den Weg frei gemacht?

Wäre es zum Bürgerentscheid gekommen und hätten alle Potsdamer abgestimmt, wären die Befürworter des Wiederaufbaus — also auch die Rathauskooperation — ein hohes Risiko eingegangen. Im Falle einer Mehrheit gegen die Kirche hätte die Stiftung, die das Projekt vorantreibt, ein großes Problem: Ihr Anliegen würde von den Bürgern der Stadt nicht mitgetragen. Das würde nicht nur einen Ansehensverlust bedeuten, sondern auch Spender vergraulen.

Das ist doch unlogisch. Durch die Annahme des Bürgerbegehrens wurden doch schon Tatsachen gegen den Bau geschaffen. Ein Bürgerentscheid indes hätte ja auch pro Wiederaufbau ausgehen können.

Das hätte er, aber er wäre, siehe oben, zu riskant. Durch die Annahme wurde dem Bürgerbegehren der Wind aus den Segeln genommen. Zum einen kann Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) beruhigt dem Auftrag folgen und im Kuratorium der Stiftung den Antrag auf Auflösung der Stiftung stellen. Da die Stadt dort nur eine Stimme hat, besteht keine Gefahr für die Fortexistenz der Stiftung. Jakobs ist zwar erklärter Befürworter des Wiederaufbaus, kann sich dann aber auf die Entscheidung im Stadtparlament berufen. Er müsste also quasi gegen die eigene Überzeugung, aber mit dem Mehrheitswillen im Rücken einen Antrag stellen, von dem er sicher sein kann, dass er in dem elfköpfigen Gremium abgelehnt wird. Für die Auflösung der Stiftung bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Mit der einen Stimme von der Stadt wäre nichts erreicht.

Demnach war es pure Taktik, dass die Rathauskooperation das Bürgerbegehren durchgewinkt hat?

Das darf man getrost unterstellen. Streng genommen hat sie es aber mit ihrer Stimmenthaltung sehr clever angestellt. Eine Zustimmung zum Bürgerbegehren wäre zwar taktisch klug gewesen, aber politisch peinlich, denn offiziell steht die Rathauskooperation ja zum Wiederaufbau. Die taktische Finte wäre dann sehr offensichtlich gewesen. So aber enthielten sich SPD, CDU, Grüne und Potsdamer Demokraten mit dem Hinweis darauf, dass es rechtliche Bedenken gibt, ob der Oberbürgermeister den Beschluss überhaupt umsetzen kann.

Wie ist nun aber das Stimmverhalten der Linken und der Fraktion Die Andere zu bewerten?

Ironischerweise waren es ausgerechnet die acht Stimmen der Linken, die den Bürgerentscheid verhindert haben. Die Linken wollten offenbar nicht taktieren und positionierten sich — wie zuvor schon oft — gegen den Wiederaufbau. Damit haben sie am Ende den Bürgerentscheid verhindert. Die Andere indes stimmte taktisch ab und votierte gegen ihr eigenes Bürgerbegehren, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Sie hofften darauf, dass eine Mehrzahl der Potsdamer an den Wahlurnen im September gegen die Kirche gestimmt hätte und die Stiftung dann in arge Not geraten wäre.

Was wäre denn passiert, wenn die Linken auch taktisch wie Die Andere gegen das Bürgerbegehren gestimmt hätten?

Dann wäre es tatsächlich zum Bürgerentscheid gekommen. Die gesamte Sondersitzung der Stadtverordneten war deshalb aufgrund der Gemengelage ziemlich bizarr: Um die Kirche zu verhindern, musste man gegen das Ziel des Bürgerbegehrens stimmen, wie es Die Andere tat, in der Hoffnung auf den Bürgerentscheid. Um den Wiederaufbau zu befördern, musste man indes für das Ziel des Bürgerbegehrens votieren — oder sich enthalten —, weil damit der Entscheid obsolet wurde und Jann Jakobs die Stiftung ohnehin nicht auflösen kann. Zumal Verwaltungsrechtler noch prüfen, ob dieser Beschluss überhaupt umsetzbar ist und Jakobs den ihm ungelegenen, aber wirkungslosen Antrag überhaupt stellen muss.

Das heißt, es war eine Menge Taktik und Trickserei im Spiel?

Ja, aber auf allen Seiten. Auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens stimmten ja taktisch gegen ihr eigenes Papier, um den Bürgerentscheid zu ermöglichen. Die Kooperation enthielt sich, obwohl sie das Papier eigentlich hätte ablehnen müssen, was sie inhaltlich auch nach wie vor tut. Nur die Linke stimmte so, wie sie immer argumentiert hatte, nämlich gegen den Wiederaufbau. Ironischerweise könnte sie ihn damit aber erst ermöglicht haben.

Hatten die Linken das nicht verstanden?

Das ist höchst unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass ihnen Offenheit wichtiger war als Taktik und sie überzeugt sind, dass die Kirche aus anderen Gründen — etwa fehlenden Spendern — ohnehin nicht kommt.

Das klingt, als hatte das Bürgerbegehren von vorherein keine Chance.

Streng genommen ist das auch so. Die Unterschriftensammlung hat ein wichtiges Signal ausgesandt, nämlich das, dass es sehr viele Potsdamer gibt, die gegen den Wiederaufbau sind — diesen psychologischen Effekt und dieses öffentliche Signal darf man nicht unterschätzen. Politisch und rechtlich war es aber von Beginn an fragwürdig. Die Stadt hat der Stiftung das Grundstück für die Kirche nicht freiwillig überlassen, sondern weil sie vertraglich dazu verpflichtet war — das hätte auch kein Bürgerentscheid zurückdrehen können. Und ebenso wenig kann eine Entscheidung des Stadtparlaments Einfluss auf eine politisch unabhängige Stiftung nehmen. Das Bürgerbegehren der Wiederaufbaugegner stand also von Beginn an auf sehr wackligen Füßen. Streng genommen hätten die Unterschriftensammler jedem Unterzeichner fairerweise erklären müssen, dass es mehr um ein öffentliches Signal gehe als um ein rechtlich wirksames Mittel zur Verhinderung des Wiederaufbaus.

Atemtherapie

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Über Erleichterung im Mercure und Panik bei der Weißen Flotte

Kaum können die Mitarbeiter des Hotels Mercure aufatmen – ihr Haus bleibt bestehen, ihre Jobs vorerst auch. Kaum pustet selbst die Stadt leise, denn sie hat – sollte sie wider Erwarten zu Geld kommen – einen einfacheren Zugriff auf das Hotel, da Eigentümer und Pächter nun ein und dieselbe Heuschrecke sind. Kaum also herrscht an einer Ecke des Lustgartens Erleichterung, da muss nebenan die Weiße Flotte zu hyperventilieren beginnen. Was Politik und Verwaltung mit diesem Potsdamer Unternehmen, das sich um den Tourismus in der Stadt wie kaum ein zweites verdient macht, seit sieben Jahren treiben, ist mit „den verbalen Stinkefinger zeigen“ noch sehr zurückhaltend umschrieben. Jeder, aber auch wirklich jeder, versucht auf Kosten der Flotte sein Mütchen zu kühlen: die Grünen pochen auf ihre städtebaulichen Ziele (Lustgarten freihalten!), die FDP auf ihren Marktliberalismus (Ausschreiben statt direkt verkaufen!), die CDU auf Platzecks Erbe (nanu?), die SPD auf ihre Geduld („keine Schnellschüsse“) und die Linken auf ihre frisch verabschiedete Anti-Privatisierungs-Politik. Der monatliche Durchsatz von Blutdruck-Senkern bei den Weiße-Flotte-Geschäftsführern muss inzwischen Umsätze generieren, die die Abschaffung der Praxisgebühr allein refinanzieren könnten. Ändern können sie freilich nichts. Es sei denn, sie ließen sich auch von einem Investmentfonds aufkaufen. Gegen solche scheint die schildbürgerähnliche Stadtpolitik ja wenigstens machtlos.

Erschienen am 05.12.2012

Die merken auch alles!

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Über den gestiegenen Anteil psychischer Krankheit bei Verrentungen

Überraschend ist der hohe Anteil psychischer Krankheiten an Frühverrentungen nicht: Selbst wer das seltene Glück eines ruhigen, gut bezahlten Jobs ohne Überstunden hat, weiß um die Realitäten auf dem Arbeitsmarkt: Es werden, wo immer möglich, Arbeitsstellen eingespart. Da die Arbeit davon nicht geringer wird, verteilt sie sich nun auf weniger Köpfe. Auf die Gebliebenen wächst der Druck, denn sich beklagen hieße, sich für die nächste Kündigung zu empfehlen. Zynisch daran ist, dass es dem Arbeitgeber egal sein kann, ob er Mitarbeiter zuschanden plagt, denn es gibt ja genug junge Menschen, die nach Jahren unbezahlter Praktika in den Job drängen und zu günstigeren Konditionen dieselbe Arbeit zu tun bereit sind. Die gern angeführte moderne Technik, die den Arbeitnehmer immer erreichbar macht, ist hingegen ein Scheinargument: Handys kann man, entgegen weit verbreiteter Überzeugung, abends oder am Wochenende tatsächlich ausschalten. Trotz all des berechtigten Alarms darf aber eines nicht vergessen werden: Psychische Krankheiten kommen nicht (nur) häufiger vor, sie werden auch häufiger diagnostiziert. Wo früher Bandscheibe, Alkohol oder chronische Magengeschwüre auf dem Rentenbescheid standen, erkennt heute auch der Hausarzt die Depression dahinter.

Erschienen am 05.12.2012

Rhetorische Keule

Samstag, 1. Dezember 2012

Über den Aktionismus der CDU nach gerade zwei Einbrüchen

Wenn zwei Einbrüche schon eine Serie sind, wird es höchste Zeit, den Begriff neu zu definieren. Jemand, der zweimal im Leben mit dem Auto jemandem den Spiegel abfuhr, ist dann ein Serientäter; wer zu Weihnachten zwei Geschenke bastelt, ein Serienfabrikant und wer zwei Kinder hat, ist in die Serienproduktion übergegangen. Bei allem Respekt vor dem Einsatz der CDU um Recht und Ordnung in den Reichenvierteln dieser Stadt, darf doch sanft mit dem Kopf geschüttelt werden, wenn sie nach zwei Einbrüchen die Politik fordert, „Aufzuwachen“, „Konzepte zu prüfen“ und „zu handeln“. Diese Stadt hat nun wahrlich andere Probleme als zwei Einbrüche in noblem Wohnumfeld. Da wird mit der rhetorischen Keule eine Mikrobe erschlagen. Nun ließe sich das ja als leicht übers Ziel hinausgeschossene PR eines Ortsverbandes abtun, der in seinem Revier nach Wählern wildert – wäre da nicht die Kreisvorsitzende, die nach dem zweiten Einbruch gleich „das Land in der Verantwortung sieht“. Was kommt als nächstes? Der Ruf nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren, Schützenpanzer in der Berliner Straße, die GSG 9 in der Jägerallee und Kampfhubschrauber über dem Jungfernsee? Auf gut Berlinerisch lässt sich da nur sagen: „Hammset nich ’ne Numma kleena?“

Erschienen am 01.12.2012

Aus den Vollen

Donnerstag, 20. September 2012

Über eine überraschende Wende im Gezerre um die Wagenburg

Laut Stadt kann das Wagenburggrundstück auf Hermannswerder für sechs Millionen Euro verkauft werden. Dort wohnen 22 Menschen. Sollten die Stadtverordneten nach erneuter Abwägung beschließen, die Burg stehen zu lassen, hieße das, ihnen wäre der Verbleib jedes Wagenbürgers gut 270 000 Euro wert. So viel Geld pro Nase für einen Wohnsitz mit Blick aufs Wasser, das würde anderswo in der Stadt als Schnäppchen gelten – nur dass die dortigen Anwohner ihr Wassergrundstück selbst bezahlen mussten. Der Verkauserlös auf Hermannswerder indes flösse ins Stadtsäckel, bleibt er aus, fehlt er dort. Es könnte daher nicht nur in Drewitz oder im Schlaatz durchaus ein Vermittlungsproblem geben beim Versuch, das dem Bürger zu erklären – es sei denn, die Stadtverordneten finden eine Möglichkeit, auch für jeden anderen Potsdamer solche Summen für einen Wohnsitz mit Wasserblick locker zu machen. Diese Stadt will immer alles – bezahlbare Mieten, aber keinen Wohnungsneubau, mehr Geld für Sozialleistungen, aber keine Vertreibung von Alternativprojekten. Geld scheint jedenfalls in der Stadtkasse noch genug vorhanden zu sein, wenn solche Optionen ernsthaft erwogen wären. Komisch nur, dass es bei Kitas, Schulen und Straßenunterhalt immer fehlt.

Erschienen am 20.09.2012

Blamiert

Samstag, 8. September 2012

Über denkbare Deutungen am Ende der Stadtwerkeaffäre

Am Ende bleibt nichts Handfestes kleben an Peter Paffhausen, außer einer Rufschädigung. Das lässt sich auf zweierlei Art lesen: Die eine Version wäre, dass Paffhausen einfach zu clever und zu verschlagen war, dass er zwar gern am Rande der Legalität balancierte, als er Kredite für den SV Babelsberg 03 vergab oder den Pro-Potsdam-Chef von einem Ex-Stasi-Mann bespitzeln ließ. Dass er sich auch gern als heimlichen König sah und gerierte, aber die Grenze ins Strafbare nicht überschritt. Die andere Version wäre, dass Paffhausen stets zum Wohle der Stadt handelte, Geld lockermachte, wo der klamme Haushalt nicht weiter auszupressen war, dem SVB 03 die Viertklassigkeit ersparte, den Stadtoberen aus mancher Geldklemme half, nur um geopfert zu werden, als sich Ärger zusammenbraute: Erst hob man einvernehmlich den gerade verlängerten Arbeitsvertrag auf, als die Spitzel- und Kredit-Vorwürfe ruchbar wurden, dann kündigte der Aufsichtsrat ihm, als die grimmen Stadtverordneten angesichts der millionenschweren Abfindung den Volkszorn fürchteten. Das war offenkundig übereilt, wie nun die Justiz Stück für Stück aufdeckt. Am Ende treffen wohl beide Lesarten der Affäre zu, doch was vor allem hängen bleiben wird: Die Stadt hat sich insgesamt veritabel blamiert.

Erschienen am 08.09.2012

Aufwachen!

Freitag, 6. Juli 2012

Die Hotel- Entscheidung muss akzeptiert werden – aber mit allen Folgen

Im Grunde war es schon gelaufen, bevor es richtig begonnen hatte: In jenem Moment, in dem Hasso Plattner ankündigte, er wolle über den Kunsthallenbau mit niemandem in Streit geraten, sanken die Chancen für einen Abriss des Hotel-Plattenbaus auf null. Nicht nur, dass es bei mehr als 150 000 Einwohnern schwer möglich ist, keinen zu finden, der einen Einwand hat. Mit Potsdam hat sich Plattner ausgerechnet die Stadt ausgesucht, in der der Streit zwischen dem baulichem Erbe der DDR und der Rückerlangung europäischen Formats so hart ausgetragen wird wie in keiner anderen. Es ist nun müßig, darüber zu streiten, ob der Mäzen die Mimose gibt, wenn er angesichts der Einwände einknickt – es ist sein Geld, und er hat über den Aufbau einer Sammlung von DDR-Kunst klug versucht, den Ostalgikern eine Brücke zu bauen, damit sie den Abriss akzeptieren. Das hat nicht funktioniert. Die Halle wird nun weit draußen liegen und die DDR-Freunde reiben sich die Hände über den Fortbestand der subversiven Platte neben dem Schloss. Der ewige Streit „neu und weltoffen“ gegen „so wie früher“ ist einmal mehr auf die Potsdam-Art ausgegangen. Das ist zu akzeptieren. Die fortdauernde innere Bezirkshauptstadt und der Anspruch auf europäisches Format bleiben aber unvereinbar.

Erschienen am 06.07.2012

Danke, Lindenpark!

Montag, 2. Juli 2012

Mensch, danke, Lindenpark! Du warst für fast vier Wochen mein – besseres – Wohnzimmer. Bei Sonne und Regen, in guten (gegen Griechenland!) wie in trüben (gegen Italien!) Stunden warst Du offen für mich und jeden anderen, hattest immer ein kühles Bier und einen warmen Burger zur Hand (auch wenn der Käse öfter mal aus war); wenn ich früh kam, fand ich einen Liegestuhl gar, wenn ich spät kam, nur eine harte Bank – doch so ist das Leben. Rudelgucken bei Dir war eine schöne Erfahrung – weil man keinem Gesinnungszwang unterlag, der an anderen Orten in der Stadt herrscht und dort jeden, der nicht zum Stammpublikum passt, zum Unwohlsein verdammt; weil bei Dir immer ein gewisses Niveau herrschte, im Gegensatz zum Luisenplatz, wo nach einer Niederlage auch schon mal eine Fahne angezündet wurde. Bei Dir aber – vielleicht ist’s die Uninähe? – herrschte immer ein offenes, internationales Klima, feierten hübsche Spanierinnen und enthusiastische Ukrainer Seite an Seite, hier freuten sie sich und schimpften in mindestens 16 Sprachen, all die Potsdamer, die Erasmusstudenten und die Exilberliner. Bei Dir war man nie allein und nie bedrängt, das ist eine reife Leistung, die auch Deinem netten Team zu danken ist. Ach Lindenpark, Du wirst fehlen – bis zur nächsten WM.

Erschienen am 02.07.2012

Schwarzer Peter

Samstag, 10. März 2012

Über das Mietendilemma und die allgemeine Unzuständigkeit

Das Dilemma der hohen Mieten hat in Potsdam mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das alle Beteiligten zum munteren Schwarzer-Peter-Spielen veranlasst: Die Stadtpolitik sagt, die Stadt müsse für günstigere Wohnungen sorgen. Die Stadt sagt, das Land oder der Bund müssten den sozialen Wohnungsbau fördern. Das Land sagt, wir fördern anderswo Abriss, ihr habt da ein Luxusproblem, und hält die Sache damit für erledigt. Der Bund sagt was von Bevölkerungsrückgang und wendet sich danach wieder der Finanzkrise zu. Na gut, sagt die Stadt, dann müssen halt die sozialen Wohnungsunternehmen ran, dafür sind die ja da. Ihr spinnt wohl, sagen die Wohnungsunternehmen – sie drücken es nur freundlicher aus –, wenn wir Euren Neubaubedarf decken, dann steigen alle Mieten in einem Maße, dass ihr gleich die Hälfte der Einwohner austauschen könnt. Dann sitzen alle im Kreis und schauen sich bedröppelt an. Und nun? Nun werden diverse Arbeitskreise gegründet, die zwar die Kostensteigerungen nicht aufhalten können, aber nach einigen Monaten herausfinden, warum die Mieten steigen. Wahrscheinlich, weil Potsdam schön ist, wächst und genug Leute kommen, die mal eben elf Euro pro Quadratmeter hinblättern können, mit dem Verweis, dass Hamburg noch viel teurer ist. Schön für sie. Schade für Potsdam.

Erschienen am 10.03.2012


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