Was bleibt: Jungferngeburten
Die Nachricht, der Oberbürgermeister habe den Parteien seiner Kooperation nahegelegt, bei der im Herbst anstehenden Wahl um seinen Posten auf eigene Kandidaten zu verzichten, um seine, Jakobs, Wiederwahl zu sichern, hatte etwas von einer Jungferngeburt: Sie kam überraschend. Und ihr ging nicht das Erwartbare voraus. Denn noch wenige Wochen zuvor hatte Jakobs die Linke – selbstverständlich in deren ureigenem Interesse – vor einer Kandidatur ihres stasibelasteten Fraktionschefs Hans-Jürgen Scharfenberg gewarnt. Diese ritterliche, ja selbstlose Geste passte nun so gar nicht zum Bild des Stadtoberhaupts, das vor den Kooperations-Spitzen mit besorgter Miene Zahlen an die Wand warf, wonach die Linke bis zu 30 000 Wähler mobilisieren kann, und dem besorgten Kommentar, es könnte daher für ihn, Jakobs, eng werden. Ganz böse Zungen sagten gar, er habe da außerordentlich verschreckt gewirkt, der OB. Wobei es natürlich auch nicht ritterlich von den anderen Parteien ist, dieses Bild des schlotternden Stadtchefs an die hämische Presse zu transportieren. Flugs hatte die noch hämischere Opposition (doch, das geht!) nämlich wieder Oberwasser, was ihr noch eine Woche zuvor niemand zugetraut hätte: Angesichts der Debatte um Rot-Rot im Land sah es aus, als könne Jakobs’ Herausforderer schon einpacken, bevor der Wahlkampf richtig begonnen hat. Nicht, dass nun am Ende die Linke noch die Kooperation warnen muss, Jakobs aufzustellen, weil es ihm am Rückhalt im eigenen Lager mangelt. Möglicherweise handelt es sich aber auch um ein ganz abgekartetes Spiel der Kooperation, um die Linke in der Sicherheit des unsicheren Oberbürgermeisters zu wiegen, während dieser längst die Mehrheiten hinter sich schart. Das wäre dann die nächste Jungferngeburt, jedenfalls für alle, die erneut mit einem knappen Ausgang der Wahl, zuletzt entschieden 122 Stimmen, rechnen.
Aber womit kann man schon rechnen in dieser Stadt! Mit dem Winterdienst sicher nicht, der wurde erst diese Woche wieder vom überraschenden und unerwarteten Schneefall kalt erwischt, so dass noch am Mittwochmorgen jungfräulich auf den Nebenstraßen lag, was seit Dienstag vom Himmel fiel. Vielleicht sollten einfach mal die Politessen und die Winterdienstler eine Jobrotation versuchen: Dann wären die Straßen schon gefegt, bevor die ersten Flocken fallen – schließlich bekommt man hier ja auch Strafzettel, bevor der Parkschein abgelaufen ist –, und die Falschparker könnten bis zum nächsten Morgen stehen bleiben, ohne Knöllchen von der Windschutzscheibe kratzen zu müssen. Recht zuverlässig funktioniert auch immer noch die Bevorzugung einiger durch das Bauamt. Da darf schon mal im reinen Wohngebiet eine Galerie betrieben werden, und verdiente Bürger sollen Sonderrechte auf gesperrten Straßen bekommen. Ein bisschen Verlässlichkeit gibt es eben in Potsdam. Immerhin.
Erschienen am 04.02.2010