Die Hauptstadt muss sich warm anziehen

Elona Müller eröffnet Brandenburgs größten Weihnachtsmarkt und bescheinigt ihm Konkurrenzfähigkeit

INNENSTADT Sozialbeigeordnete müsste man sein. Schön eingemummelt auf der Kutsche sitzen, von eifrigen Budenbesitzern mit Heißgetränken versorgt, von den Passanten beachtet – ein idealer Zustand. Zumindest aus Sicht des Pressetrosses, der am Luisenplatz steht und der Beigeordneten harrt, die hier den Weihnachtsmarkt eröffnen soll. Sie ist mittlerweile 40 Minuten zu spät dran, die Temperatur liegt bei einem Grad, der Wind pfeifft, die Glühweinbuden duften verlockend, die Termine drücken. Jeder ist bemüht, unauffällig zu frieren. „Ob die Pferde dieses Jahr wieder diese albernen Elchhörner aufgesetzt bekommen?“ fragt jemand in die Runde. „Noch zehn Minuten, und ich hole mir doch einen Glühwein“ – ist das eine Antwort? „Ich bin ja für die Erderwärmung“, wirft eine Kollegin ein und tritt von einem Fuß auf den anderen. Der Mann vom rbb meint, einen Pferdekopf im Getümmel der Brandenburger Straße ausgemacht zu haben, das Fernsehteam stürmt los. „Wenn das mal nicht der Bürgermeister war“, versucht jemand zu witzeln. Funktioniert nicht, keiner lacht. „Der OB hat Meniskus. Die Beigeordnete kommt“, klärt ihn jemand auf. „Klugscheißer“, lautet der Dank. Dann: Pferdegetrappel, Menschenauflauf, Blitzlichtgewitter – die Kutsche kommt doch. Die Pferde haben Elchhörer aufgesetzt.

„Entschuldigung“, sagt Dezernentin Elona Müller. Sie ist dick eingemummelt und hat ein Heißgetränk in der Hand. Im Laufschritt – Bewegung hält warm! – gehts zur Bühne. Dort warten schon Wolfgang Cornelius als Chef der ausrichtenden AG Innenstadt und ein komplett durchgefrorener Kinderchor vom Treffpunkt Freizeit, der ein niedliches Lied vorträgt. Anschließend wird traditionell der riesige Stollen angeschnitten, die Kinder greifen begierig zu, und Elona Müller freut sich über den „noch schöneren“ Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr nicht so eng steht und zudem über die Friedrich-Ebert-Straße hinaus bis zur Kirche St. Peter und Paul erweitert wurde. Sie betont, man könne „auch mit den Berliner Märkten locker konkurrieren“. Mit mehr als 130 Buden sei es auf jeden Fall der größte Markt in Brandenburg, und genau genommen wohl auch einer der schönsten, ergänzt wenig später Organisator Eberhard Heieck von der Agentur Coex. Mit dem täglichen Märchenspiel um 17 Uhr auf dem Luisenplatz besitzt der Markt zudem ein Alleinstellungsmerkmal, das ihn bundesweit einzigartig macht. Heieck hat noch weitere Zahlen: 3000 blaue und goldene Kugeln sind entlang des Weges zu finden, die Umsetzung des Mottos „blauer Lichterglanz“ erfolge langsam, aber stetig. Wenn er einen Wunsch frei hätte, so würde er den Potsdamern noch die häufig geäußerte Bitte nach weihnachtlicher Beleuchtung von St. Peter und Paul erfüllen, verrät er, aber das scheitert bislang am Geld und an Widerständen. Für die Zukunft ist Heieck aber optimistisch.
„Mir würde schon mehr Pünktlichkeit genügen“, brummelt ein jetzt ganz ungeniert zitternder Reporter. Er bekommt ein Heißgetränk statt einer Antwort.

Erschienen am 27.11.2007

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