Schippern für Flugsäuger
Spandaus Artenschützer und das Bezirksamt sorgen mit Kreativität für satte Fledermäuse
Spandaus Fledermäuse lebten bislang von Eintrittsgeldern. Als die weggefielen, drohte Hunger. Doch findige Menschen hatten eine Idee: Jetzt leben die Fledermäuse von geführten Bootstouren.
Als der Katamaran zuviel Schlagseite bekommt, begann Gerhard Hanke, öffentlich an seinem Diäterfolg zu zweifeln. Er sitzt von seinem Mitarbeiter begleitet auf der linken Seite, ihm gegenüber sitzen sechs Journalisten. Genau genommen hängen sie in der Luft, denn der Katamaran kippt bedrohlich in Richtung Bezirksstadtrat – auch wenn schnell versichert wird, das Boot sei unsinkbar. Wären die Fotografen nicht an Bord, sie könnten vom Kai aus ein sehr unvorteilhaftes Bild schießen. Doch Spandaus Bildungs- und Kulturstadtrat ist schlagfertig: Es handle sich um sein politisches Gewicht, das für die Einseitigkeit an Bord sorge. Einseitigkeit? Die Pressevertreter dürfen sich was denken.
So munter geht es zu an diesem sonnigen Junimorgen, ein gut gelaunter Stadtrat trifft gut gelaunte Journalisten, die sich eine Stunde lang durch die Sonne schippern lassen, an Bord eines Katamarans, mit dem ab sofort die Kanäle rund um die Spandauer Zitadelle erkundet werden dürfen. Gekauft hat das 12 000 Euro teure Gefährt das Bezirksamt, nutzen dürfen es die Herren vom Berliner Artenschutz-Team (BAT), das in der Zitadelle eine Fledermausstation betreibt.
Es handelt sich quasi um eine Kompensationsleistung: Früher, als die Zitadelle noch ohne Eintritt besucht werden konnte, namen die Artenschützer einen kleinen Obolus am Eingang des Fledermaushauses, damit sie davon Futter für die Tiere kaufen können. Seit kurzem kostet die Zitadelle jedoch Eintritt, und innerhalb der Festung will niemand ein zweites Mal bezahlen. Irgendwo musste aber Geld herkommen, wenn die geflügelten Säuger nicht hungern sollen. Also setzten sich BAT und Bezirksamt an einen Tisch, und so wurde die Idee des Katamarans geboren.
Für geführte Touren entlang der Gräben der mächtigen Zitadelle dürfen die Artenschutz-Freunde nämlich eine geringe Gebühr nehmen, und auch wenn das nicht die Kosten deckt oder die Höhe der Eintrittsgelder erreicht, ist zumindest der Futterstrom für die Fledermäuse vorerst wieder gesichert. 3,50 Euro kostet die zirka 45-minütige Rundfahrt für Erwachsene, ermäßigt werden zwei Euro fällig. Der Katamaran fährt in der Saison (März bis Oktober) samstags immer um 12.30, 13.30, 14.30 und 15.30 Uhr; sonntags dann um 11.30, 12.30, 13.30, 15 und 16 Uhr, in der Woche nach Anmeldung. Jörg Harder vom Berliner Artenschutz-Team kündigte zudem Nachtfahrten an, um die Fledermäuse über dem Wasser beim Jagen zu beobachten. Dazu werden sie mit einem speziellen Rotlicht angestrahlt, dass die Tiere nicht irritiert, aber den Mitfahrern Gelegenheit gibt, die Mini-Vampire bei der Futterbeschaffung zu beobachten. Vermutlich sechs Euro wird die Teilnahme kosten, der 13 Personen fassende Katamaran kann aber auch für Feiern oder Betriebsausflüge gebucht werden. Das alles soll dem Verein zugute kommen, auch Werbung an den Außenseiten ist geplant.
Ein fast unhörbarer Elektromotor treibt das zwei Meter breite Gefährt an, das wie ein umzäuntes Floß auf dem Wasser liegt. Damit kommt der Kapitän sogar durch die engen Stellen im Festungsgraben, ein Tiefgang von nur 40 Zentimeter sorgt dafür, dass das Boot jede Untiefe im zwischen drei Meter und 50 Zentimeter tiefen Graben sicher übergleitet.
Durch geschicktes Umsetzen ist Gerhard Haukes politisches Gewicht mittlerweile neutralisiert, und Jörg Harder steuert sicher durch den Graben auf das Ravelin „Schweinekopf“ zu. Dieser Vorposten der Festung vor dem Graben soll zum Naturlehrpfad umgebaut werden, Bezirksstadtrat Hanke erwägt auch, hier ein offenes Klassenzimmer für die Spandauer Schulen einzurichten. Am Festungstor ist kein Durchlass: Es ist dauerhaft heruntergelassen, und zöge man es hoch, so versperrte weiterhin ein Abwasserrohr den Weg. Der Kamataran muss kehrt machen und fährt die Zitadelle, deren beeindruckende Dimensionen vom Wasser aus erst richtig deutlich werden, von der anderen Seite an.
Jörg Harder jedenfalls ist sichtlich zufrieden: Die Festungsgrabenrundfahrt zum Fledermauslehrpfad ist ganz in seinem Sinne, vereint sie doch touristische Nutzung mit Naturerlebnis und einem tieferen Verständnis für seine zeitweise 10
Erschienen am 15.07.2008