Verpflastert

Jan Bosschaart über unklare Fronten, entnervte Sanierer und lustige Workshops

Potsdam ist nicht nur ein schwieriges Pflaster, es hat auch welches. Während Radler in den Natursteinen ein gebisszerrüttendes Hindernis sehen, die Stadt angesichts des Pflegeaufwands am liebsten eine geschlossene Asphaltdecke über Babelsberg legte und Rettungswagenfahrer von einem potenziell lebensverkürzenden Faktor sprechen, überraschten Anlieger der Jahn-, Watt- und Siemensstraße in den letzten Jahren mit einem vehementen Kampf für die alten Steine. Die Stadt beugte sich dem Protest, doch wer glaubte, die Fronten seien damit definiert, irrte: In der Neuen Straße scheint niemand vom Pflaster begeistert. Das Stadtkontor als zuständiger Sanierer hat die Prognose des Bürgerwillens daher eingestellt und wartet mittlerweile einfach ab, welche Initiativen sich so bilden. Der Bauausschuss hingegen geht in die Offensive und veranstaltet für 14 000 Euro einen lustigen Pflasterworkshop, in dem alle Argumente nochmal ausgebuddelt, geprüft und danach wohl wieder vergraben werden. Auf der Tagesordnung steht etwa „Natursteinpflaster im Konflikt zwischen Geschichtszeugnis und Gebrauchsgegenstand“, und als Vorablektüre ward den Abgeordneten das Standardwerk „Die Kunst des Pflasterns“ anempfohlen. Dass dabei ein Trostpflaster für Pflasterskeptiker herausspringt, ist unwahrscheinlich.

Erschienen am 24.01.2009

Hinterlasse eine Antwort

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu erstellen.


%d Bloggern gefällt das: