Mein Beitrag zur Geburtenrate

Meine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht entspricht für gewöhnlich in etwa der momentanen Beliebtheit ostukrainischer Separatisten beim Führungsstab von Malaysia Airlines. Dass sich das ein einziges Mal und ausgerechnet beim Friseur änderte, überraschte mich dann doch ein wenig. Schon beim Betreten der Filiale einer großen Kette – nennen wir sie behutsam anatolisiert „Süper Cüt“ – war der kugelrunde Mutterbauch meines „Personal Hair-Artist“ (so stands auf ihrem Schilde) unübersehbar. „Mensch Helena“, sagte ich – in dieser Kette wird jeder Kunde geduzt, ganz gleich, ob er 7 oder 77 ist, ob Hauptschüler oder Professor, und Helena hatte ihren Namen mit einem Textmarker neben dem veranschlagten Preis an den Spiegel gekritzelt, sodass ich mich berechtigt fühlte, sie so intim anzusprechen – „Helena“, sagte ich also, „Du siehst ja aus, als stünde die Geburt unmittelbar bevor.“ Nö, sagte Helena, die routiniert Gebärende, drei Wochen seien es noch, bis Lena, die lange erwartete Tochter nach zwei Jungs, die Familienplanung abschließe. Schließlich sei sie, Helena, schon 24 Jahre alt. Kinder danach ruinierten bekanntermaßen die Figur. Kaum gesagt, hielt sie im Rasieren inne und legte einen Blick auf, der ein wenig an Mesut Özil gemahnte: ihre Augen traten etwas aus den Höhlen. Auf meine bange Frage, was denn los sei – ich hatte einen fiesen Wirbel im Verdacht, an dem schon mancher Friseur scheiterte – entgegnete sie trocken: „Sch**ße, da ist gerade die Fruchtblase geplatzt“. Sprachs und verzog sich direkt ins Mitarbeiterkabuff. Sowohl die ebenfalls anwesende Azubine als auch eine weitere Kundin und ich durften keineswegs helfen, denn Helena, die Haarschaumgeborene (danke an alle Oberstudienräte, der Leserbrief ist überflüssig, wir kennen uns in griechischer Mythologie aus, aber es wäre zu schade gewesen, den Gag liegenzulassen) war sichtbar ruhiger als der Rest des Salons. In Seelenruhe rief sie erst ihren Mann zwecks Abholung und dann das Geburtshaus zwecks Einleitung des Nötigsten an. Als Erstgenannter eintraf, sie zu chauffieren, rief Helena noch: „Du hast offenbar eine anziehende Wirkung auf junge Frauen“. Dann bat sie ihre Azubine, mich zu Ende zu frisieren. „Ick bin aba erst zweete Woche“, warnte dieselbe. Seither habe ich einen etwas, nun ja: eklektizistischen Haarschnitt. Aber für den traurigen Fall, dass es das einzige bleiben sollte, was ich zur Geburtenrate in Deutschland beitragen kann, so ist das Opfer wohlgetan.

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