Ein Prinz als Schirmherr

Sebastian Krumbiegel über die Probleme als „Betroffenheits-Gutmensch“

Sebastian Krumbiegel, Sänger der „Prinzen“, wird Schirmherr der ökumenischen Friedensdekade 2007, die unter dem Motto „andere achten“ steht. Krumbiegel tourt derzeit mit dem von ihm herausgegebenen Buch „Hoffnung säen“ durch Deutschland. Gemeinsam mit Kristof Hahn liest er auf dieser „musikalischen Lesereise“ aus Lebensgeschichten von Flüchtlingen. Die Fragen stellte Jan Bosschaart.

Ein Pop-Sänger als Schirmherr der Friedensdekade – wie kam es denn dazu? Krumbiegel: Das liegt daran, dass ich zurzeit mit meinem Buch „Hoffnung säen“, den Geschichten von neun Flüchtlingen, durch Deutschland toure. Es klingt hochtrabend, aber ich glaube, die Kirche ist auf mich aufmerksam geworden, weil ich mich mit dem Buch für ein menschlicheres Miteinander ausspreche.
Was müssen Sie als Schirmherr tun, außer ihren Namen hergeben?
Krumbiegel: Ich werbe für die Idee, ich mache die Leute darauf aufmerksam, dass die Friedensdekade stattfindet. Mit Auftritten ist das nicht verbunden.
Was hat Sie bewogen, ja zu sagen?
Krumbiegel: Dass es um menschliches Miteinander geht, darum, dass wir aufeinander zugehen sollten. Wir verlassen uns zu sehr auf den Staat oder denken: „Irgendjemand sollte irgendetwas für mich tun.“ Stattdessen sollte jeder die Dinge selbst in die Hand nehmen und sich darum kümmern, dass die Welt um ihn herum besser wird. Das ist ja auch ein Anliegen der Lesetour. Es macht Spaß, weil wir merken, dass wir die Leute erreichen. Sie hören zu und sie werden berührt von dem, was wir vorlesen.
Sie touren nur durch ostdeutsche Städte?
Krumbiegel: Wir wollten dahin, wo es die Leute angeht. In ein multikulturelles Zentrum nach Berlin-Kreuzberg zu gehen, hieße Eulen nach Athen tragen. Wichtiger sind Gegenden, wo Rechtsradikalismus ein Thema ist, wo Übergriffe stattfinden. Das ist statistisch im Osten häufiger. Dennoch werden wir das ändern: Ab April sind wir auch in Westdeutschland – sogar in Bayern – unterwegs, denn es geht auch darum, die Toleranz in die Welt hinauszutragen – allerdings, ohne den Heilsbringer zu spielen. Es ist problematisch, sich vor die Leute zu stellen und zu sagen: „Ich weiß was!“ Wir versuchen, die Texte und die Musik für sich wirken zu lassen.
Haben die ostdeutschen Bundesländer größeren Nachholbedarf in Sachen Ausländertoleranz?
Krumbiegel: Ich glaube ja. Wir sind 40 Jahre lang anders sozialisiert und anders groß geworden. Mit Ausländern waren wir kaum konfrontiert. Die wenigen Ausländer hier blieben unter sich, es gab nicht, wie in Westdeutschland, die typischen Gastarbeiter, die ihre ganze Kultur mitbrachten. Das ist es sicher nicht allein, aber Fakt bleibt: Die Übergriffe im Osten sind häufiger, es gibt hier mehr Nazis, sie werden sogar in die Landtage gewählt – das muss schon mit unserer DDR-Vergangenheit zu tun haben.
Was erhoffen sie sich von der Lesereise?
Krumbiegel: Ich hoffe, dass ich die Leute anknipse, sie für ein Thema sensibilisiere, das kein populäres ist. Die Leute rufen ja nicht „Juhu, jetzt kommt einer und erzählt uns was über Ausländer in Deutschland.“ Ich hoffe, dass ich vor allem die erreiche, die noch gar keine gefestigte Meinung haben. Selbst bei Nazis ist nicht Hopfen und Malz verloren, es gibt viele, die man einfach nur zur Besinnung bringen sollte.
Kommen nicht ohnehin nur die, die schon ihrer Meinung sind?
Krumbiegel: Das ist ein Problem, mit dem wir umgehen müssen. Ein Beispiel: Bei einer Lesung in einer Dresdner Berufsschule fragte ich, ob alle freiwillig da seien. Da haben einige gemault und gesagt „Gezwungen!“, und ich sagte: „Okay, wer gehen will, kann gehen“. Von über hundert sind wohl fünf aufgestanden und gegangen, die fühlten sich dann stark. Hinterher habe ich gedacht: „Eigentlich blöd!“ Vielleicht hätte ich die noch kriegen können. Andererseits will ich niemanden zwingen. Aber ich würde es beim nächsten Mal anders machen.
Wie haben Sie die Flüchtlinge, deren Geschichten Sie lesen, kennengelernt?
Krumbiegel: Die „Bunten Gärten“ sind ein Leipziger Integrations-Projekt. Bei gemeinsamer Gartenarbeit können Migranten hier der Isolation entrinnen. Mit der Einrichtung hatte ich schon mehrfach Kontakt. Irgendwann fragte man mich, ob ich ein Buch herausgeben würde, das die Schicksale der Migranten beschreibt. Zwei Journalistinnen haben die Interviews geführt, und gemeinsam haben wir neun Geschichten ausgewählt. Mit der Tour will ich den Menschen dahinter ein Forum verschaffen.
Ein Kritiker schrieb, man spüre, dass das Buch betroffen machen soll.
Krumbiegel: Ich sehe darin nichts Schlechtes. Natürlich ist es immer ein Balanceakt und schwer, als Betroffenheits-Gutmensch durch die Gegend zu eiern. Oft ist es aber der einzige Weg, die Menschen zu erreichen. Man kann sich zu Recht auch über Betroffenheitsgalas im Fernsehen aufregen – aber am Ende bleiben dennoch Millionen für Bedürftige hängen.
Haben Sie nach einem Lese-Abend wieder Lust auf Prinzenkonzerte?
Krumbiegel: Die Prinzen sind meine Lieblingsband, darauf habe ich immer Lust. Wir kaspern ja als Prinzen auch nicht nur herum, da kommen auch ernste Töne. In beiden Fälle schlüpfe ich nicht in eine Rolle. Weder sage ich mir vor der Lesung „Jetzt gehe ich als Literat raus!“, noch setze ich mir als Prinz die Narrenkappe auf. Ich bin jetzt 40 Jahre alt und weiß schon, dass das zwei verschiedene Dinge sind. Aber es sind Seiten, die beide zu mir gehören.
Sie sind im Juni 2003 in Leipzig von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Hat diese Erfahrung ihr Engagement verstärkt?
Krumbiegel: Ich denke nicht. Wir waren auch vorher aktiv, richten zum Beispiel seit zehn Jahren das „Courage zeigen“- Festival in Leipzig aus. Die wichtigste Lektion ist, dass mir jemand geholfen hat, dass einer mutig war. Er spielte nicht den Helden, er hat einfach nur Lärm gemacht und die Täter in die Flucht geschlagen. Es geht bei Zivilcourage nicht darum, mit einer Kung-Fu-Nummer dazwischenzuspringen. Es geht darum, dass man sich einmischt und Alarm schlägt.

Erschienen am 01.02.2007

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