Lauwarmer Entzug

Nichtraucherschutz: Seit Neujahr gilt das Rauchverbot in Gaststätten, aber nicht jeder hält sich daran

Seit drei Tagen ist die Zigarette im Lokal verboten. Die Gastwirte reagieren mit kaltem Entzug, langsamer Entwöhnung – und strikter Verweigerung.

POTSDAM Richard Putters Welt ist in der Silvesternacht ein kleines Stück heller geworden. Der 33-Jährige, der sich selbst als Gourmet, als Wein- und Kaffeekenner bezeichnet, geht seither mit weniger Vorbehalten in Restaurants und Cafés. „Ich habe nie verstanden, wie man in nikotingetränkter, rauchverpesteter Luft Genuss erleben soll“, sagt der Potsdamer und wedelt imaginäre Rauchschwaden weg. Die Geste ist überflüssig: Im Spezialitätenkaffee in den Potsdamer Bahnhofspassagen, wo Putter seinen Latte Macchiato schlürft, sind die Aschenbecher seit dem 1. Januar abgeschafft worden. Und Putter ist nicht der einzige, den das freut. „Einige Gäste sind froh, jetzt überall sitzen zu können, nicht nur in der Nichtraucherecke“, sagt Filialleiterin Yvonne Sprenger. Einige, aber nicht alle: Fünf Gäste machten auf der Schwelle kehrt, als sie vom kategorischen Rauchverbot im Café erfuhren, zwei weitere haben diskutiert, letztlich aber doch einen Kaffee bestellt.
So rigoros wie dort verfuhr man nicht überall: Die meisten Lokale ließen ihre Gäste in der Silvesternacht auch nach 0 Uhr weiterrauchen. „Aschenbecher einsammeln wäre uns zu albern gewesen“, sagt Bob Demtröder vom Potsdamer Alex-Restaurant. Doch auch bei ihm gilt seit Dienstagmittag: Wer seine Zigarette braucht, muss vor die Tür. Dort stehen Wärmedecken und Heizpilze bereit. Weil einige Kunden ihrem Unmut lautstark Luft machten, wird das Alex künftig bis zum frühen Abend auch das Rauchen zumindest an der Theke wieder erlauben – zu viele drohten, nicht wiederzukommen. Das aber kann nur eine Übergangslösung sein: Spätestens zum 30. Juni ist auch damit Schluss, denn dann werden die im Nichtraucherschutzgesetz bislang nur angedrohten Bußgelder auch erhoben: 100 Euro für rauchende Gäste und 1000 Euro für Wirte, die das nicht unterbinden. Bis dahin kocht jeder sein eigenes Süppchen: Vom rigorosen Entsorgen aller Aschenbecher über die Auslagerung rauchender Gäste in den Raucherraum bis zur maximalen Ausnutzung der Übergangsphase – oder durch radikale Verweigerung. Dabei ist eine Zweiteilung zu beobachten: Während die gehobenen Restaurants und Hotels seit dem Neujahrstag den Tabakqualm aus ihren Räumen verbannt haben, weigern sich die Eckkneipen und Bars noch.
So wie Ulrich „Uli“ Kasiske. Kasiske ist Kneipier in Berlin-Friedrichshain und ein erbitterter Gegner des neuen Gesetzes. Gemeinsam mit zwei Stammgästen hat er die „Initiative für Genuss Berlin“ gegründet, die in der Hauptstadt fleißig Unterschriften gegen das Gesetz sammelt. 20 000 benötigt sie in einer ersten Stufe, rund 6000 hat Kasiske schon zusammen. „Bei mir rauchen 95 Prozent der Gäste“, sagt er, „ich will ja nur, dass jeder Wirt selbst entscheiden darf.“ Mit seiner Initiative und mit der Ankündigung, in ein noch einzurichtendes Raucherzimmer seiner Kneipe einen Tunnel einzubauen, damit Nichtraucher nikotinfrei zu den Toiletten gelangen, hat er es in diesen Tagen bereits zu einiger Presseberühmtheit gebracht.
Am Tag zwei der rauchfreien Gaststätten formierte sich auch der Widerstand. Nicht jeder ging dabei so weit wie jener Gast eines Restaurants auf der Nordseeinsel Wangerooge, der aus Wut über das Rauchverbot auf den Wirt mit einer Bierflasche einprügelte: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga etwa beschränkte sich darauf, seine Kritik an den Gesetzen zu erneuern. Bereits kurz vor Weihnachten strengte der Verband eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht an, um vor allem die Eckkneipen zu schützen. Bayerische Wirte, die dem strengsten Gesetz ausgesetzt sind, erklärten gestern, sie planten zudem eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe, und die Internetseite „Zigarrenplattform.de“ rief „alle Tabakgenießer und politisch wachen Nichtraucher“ auf, „die Ausbreitung einer Verbotskultur in Deutschland zu bekämpfen!“. Aus einer anderen Richtung kam Kritik von der brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Petra Bierwirth (SPD), die Chefin des Umweltausschusses ist: Sie forderte einen Verzicht auf Heizpilze, die Wirte vor ihren Lokalen aufstellen, um rauchende Gäste nicht in der Kälte stehen zu lassen. Die Geräte führten zu einem enormen CO2-Ausstoß.
Auch in Frankreich und Portugal gelten seit dem 1. Januar Rauchverbote in Lokalen. Das fiel vor allem Antonio Nunes auf die Füße: Der Chef der für das portugiesische Nichtraucherschutzgesetz zuständigen Behörde wurde in der Silvesternacht von einer Tageszeitung rauchend in einem Lissabonner Kasino ertappt. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass das Gesetz auch Kasinos einschließe, gab er zu Protokoll und will nochmal nachlesen.

Erschienen am 03.01.2008

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