„Keine netten Menschen“

Ausflug: Eine Art Katastrophentourismus: Grüne schippern am Griebnitzseeufer

POTSDAM | Jonathan ruft unverdrossen „Hallo!“, zu jedem Boot, das vorbeizieht – ganz gleich, ob jemand zurückruft. Diese bedingungslose Freundlichkeit haben nur Zweijährige. Sie wirkte anrührend und seltsam deplatziert auf jenem Floß, mit dem der Kreisverband der Grünen am Mittwochnachmittag jeden, der wollte, über den Griebnitzsee schipperte – um den Schaden am nur noch teilweise erkennbaren Uferweg sichtbar zu machen, damit die Potsdamer sich nicht an die Sperrung gewöhnen und „um Flagge zu zeigen“, wie Kreisvorsitzende Eva Benirschke erklärt. Dieses Flaggezeigen wird ein wenig dadurch erschwert, dass eine Grünen-Flagge, ökologisch korrekt mit Seil am Floß befestigt, gleich beim ersten Anlegeversuch in den Fluten des Sees versinkt. Irgendwer aus dem Floßinneren merkt an, dass das nicht geschehen wäre, wenn man statt eines Plastikstiels einen ökologisch wünschenswerten Holzstiel benutzt hätte: Dann wäre die Flagge geschwommen.

Es ist der zweite symbolische Kollateralschaden des politisch motivierten Ausflugs. Der erste tritt ein, als Seeanrainer und Stadtverordneter Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) von seinem gesperrten Grundstück aus etwas zum Floß ruft. Man versteht sich nicht – akustisch wie inhaltlich – und so setzt sich Kirsch ans Steuer eines Motorbootes, umkreist das Floß und erklärt von Deck zu Deck, dass er einst kompromissbereit war und das auch dokumentieren könne. Es fallen einige weniger freundliche Sätze, dann gibt Kirsch Gas. Eine Verfolgung ist weder gewünscht noch angesichts von sechs PS aussichtsreich. Doch auf dem Floß bleibt der Nachgeschmack ob dieser Symbolik und trübt die Stimmung.

Sie wird nicht besser, als die Mitreisenden das ganze Ausmaß der Baumaßnahmen sehen: Die möglicherweise illegal auf den schmalen Pfaden angerollten 30-Tonner haben ganze Arbeit geleistet. Manche Grundstücke sehen aus, als habe es nie einen Weg gegeben, andere erinnern an Kraterlandschaften. Eine Frau fragt genau dahin, wo es den Grünen weh tut: Warum sie nicht Enteignungen fordern, wie es die Linke tut. Eva Benirschke schweigt eine Weile, dann sagt sie: „Wir können uns doch nicht den Linken anschließen.“ Außerdem widerstrebe es ihr, den Anrainern, „ auch noch Steuergelder in den Rachen zu werfen.“ Jonathan grüßt derweil mit seinem unverdrossenen „Hallo!“ jemanden auf einem Ufergrundstück. „Lass das!“, sagt seine Mutter und drückt das Ärmchen herunter, „das sind keine netten Menschen“. So geht es zwischen Dampferanlegestelle und Park Babelsberg hin und her – eine Form von ohnmächtigem Katastrophentourismus auf einem Holzfloß. Grüne und Sympathisanten bleiben dabei weitgehend unter sich, an Bord sind Sätze wie „Jetzt genieß doch mal die Fahrt, Malte, und ärger’ Dich nicht“ zu hören. Irgendwann schwappt eine Welle über den Bug und macht alle, die ganz vorn sitzen, patschnass. „Grüne gehen baden“, titelt ein Mitreisender. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Doch irgendwo auf dem schlammigen Grund des Griebnitzsees liegt eine Parteiflagge.

Erschienen am 22.05.2009

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