Einfach mal Mut zum Weglassen fassen

Manchmal sind es ja die kleinen Meldungen, die die großen Trends enthalten. So war dieser Zeitung in dieser Woche zu entnehmen, dass es in Nuthetal einen Informationsabend für Eltern gibt. Dort erfahren sie, was sie „einfach mal weglassen sollten, um weniger schwierig zu sein”. Wir finden: Das ist eine interessante Frage, die sich nicht nur Eltern stellen sollten. Man kann so vieles weglassen und wird dann gleich viel angenehmer für seine Zeitgenossen. Und für sich selbst.

Den besten Beweis lieferte noch am selben Tag der Polizeibericht: Demzufolge wollte ein 30-Jähriger in Potsdam einen sehr handfesten Streit schlichten und bekam beim Versuch ordentlich eine — sehen Sie uns die grobe Formulierung nach, es ist dies ein Fakt — aufs Maul. Hätte er diese völlig überflüssige Bemühung doch einfach mal weggelassen, die Streitenden hätten ihn als deutlich weniger schwierig empfunden. Und der Schlichter müsste jetzt nicht morgens seine Zähne nachzählen.

Gerüchten zufolge wollte die Stadtverwaltung in dieser Woche gegen einen Zaun rund um einen Park vorgehen, der dort eine Baustelle schützt. Das entsprechende, geharnischte Schreiben an den prominenten Bauherren wurde aber noch rechtzeitig kassiert, als sich die Presse zu interessieren begann. Schließlich saniert der Mann auf eigene Kosten ein Stück Weltkulturerbe, was die Schlösserstiftung mit eigenen Mitteln nicht gekonnt hätte. Gerade gegenüber prominenten Einwohnern möchte die Stadt sehr gern weniger schwierig sein, denn andernfalls werden die sehr schnell weniger großzügig. Da ist das wohlgezielte Weglassen von bösen Briefen ein probates Mittel.

Einfach mal weglassen könnten auch diverse Interessengruppen diverse Studien, die objektiv erhobene Daten so präsentieren, dass sie ins Kalkül des Auftraggebers passen. Die Immobilienfinanzierungstochter der Postbank etwa hat die Preise und die zu erwartende Wertsteigerung von Eigentumswohnungen in ganz Deutschland vermessen lassen. Aus diesen Daten hat sie dann geschickt zweierlei abgeleitet: In Regionen, wo Wohnungen billig sind — und daher auch bis 2025 nicht an Wert gewinnen oder sogar verlieren werden, empfiehlt sie dringend den Kauf, denn hier könnten selbst Geringverdiener die Finanzierung (bei wem wohl?) leichterhand stemmen. In Regionen, wo Wohnungen indes sehr teuer sind — Potsdam hat es hier im gesamten Osten mal wieder auf einen beklemmend schönen zweiten Platz gebracht —, empfiehlt sie dringend den Kauf, denn hier ist die Wertsteigerung so hoch, dass sich auch eine etwas aufwendigere Finanzierung (beim wem nur?) rechnet. Und in Gegenden, wo die Wohnungen mittelteuer sind und einen „ausgewogenen Chancen-Risiken-Mix” bieten, da empfiehlt sie überraschend — den Kauf! Denn hier stehen Finanzierungsaufwand (beim wem denn nur?) und Wertzuwachs in einem sehr gesunden Verhältnis. Blöd für die Postbank ist nunr, dass Journalisten Pressemitteilungen nicht einfach aus der E-Mail in den Artikel kopieren, sondern so umschreiben, dass der Leser das einordnen kann. Wenn man die Journalisten einfach wegließe, wäre Pressearbeit vermutlich auch weniger schwierig. Sorry, Jungs!

Glauben wir noch einmal dem Polizeibericht, dann können manche auch einfach mal etwas weglassen, wenn es schwierig wird. Das ist eine Spielart des selben Prinzips für Fortgeschrittene. Genauer gesagt: Für Fortgelaufene. Als nämlich am Mittwoch ein Rollstuhlfahrer bei roter Ampel die Straße in der Innenstadt überquerte und mit einer notbremsenden Tram zusammenstieß, ließ er das Gefährt einfach zurück und flüchtete zu Fuß. Ob es sich jetzt um Fahrer- oder Läuferflucht handelt, diese Information lässt die Polizei leider weg. Vermutlich, weil es zu schwierig zu ermitteln ist.

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