Krampnitz: Streifzug durchs Sperrgebiet

Oberbürgermeister Jann Jakobs lud zur Tour über das marode Kasernenareal — die Vermarktung hat schon begonnen

Krampnitz — Sie haben immer etwas von „Klassenfahrt mit Beigeordneten”, die Oberbürgermeisterspaziergänge — es werden nicht nur Vorhaben präsentiert, seien sie nun kurz vor dem Beginn oder kurz nach dem Abschluss, es wird sich auch mal locker gemacht. Lockerer zumindest als in Sitzungen, so locker, wie sich Verwaltung halt „locker” vorstellt. Von dieser Regel bildete auch die gestrige Tour durch die Kaserne Krampnitz keine Ausnahme.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erschien mit verspiegelter Sonnenbrille, in der Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) den Sitz seiner Frisur prüfte. Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) kam im Bus zwischen zwei Journalistinnen zu sitzen und fühlte sich „von der vierten Gewalt in die Mangel genommen”. Der OB dozierte während der Fahrt und aus dem Radio bat Madonna flehentlich „Papa don’t preach”. Dann waren alle erstens das erste Mal durchgeschwitzt, da die Klimaanlage nur den OB kühlte und zweitens in Krampnitz angekommen.

Mittels einer Entwicklungsmaßnahme will die Stadt das 125 Hektar große Areal in ein Wohngebiet verwandeln, um dem stetigen Zustrom von Einwohnern — derzeit etwa 1500 pro Jahr — Herr zu werden. In rund 1600 Wohnungen werden 3800 Menschen ein Zuhause finden. Da die Flächen noch dem Land gehören, war auch Daniela Trochowski, Staatssekretärin im Finanzministerium, mit dabei. Die Flächen seien noch nicht an die Stadt übertragen worden, weil das Land noch im Rechtsstreit mit der TG Potsdam liege, die gern einige Filetstückchen das Areals hätte, weil sie dereinst eine Kaufoption abschloss, sagte sie (siehe Infokasten). Diese Option hat nach Auffassung des Landes aber keinen Bestand, nichtsdestotrotz klagt sich die TGP durch alle Instanzen. Der Kampf ist aussichtslos, denn selbst wenn sie gewönne, würde die Stadt sie dank der Entwicklungsmaßnahme sofort enteignen. Der Rechtsstreit dürfte schon jetzt teurer sein als die mögliche Entschädigung bei Enteignung, schätzten sowohl die Stadtbauexperten als auch das Land, aber offenbar kämpfe die TGP aus Prinzip.

Die eigentliche Tour startete dann an der Ketziner Straße, wo denkmalgeschützte Zweigeschosser stehen, die für je vier Familien erbaut wurden. Hier will die Stadt über ihren Entwicklungsträger zuerst an die Erschließung und Vermarktung gehen, denn Denkmal-Immobilien sind stark nachgefragt, weil die Restaurierungskosten von der Steuer abgesetzt werden können. „Der Andrang ist sehr groß”, sagte Bert Nicke, Geschäftsführer des zuständigen Entwicklungsträgers Potsdam (ETP), einer Stadttochter. Der ETP erschließt das Gebiet, reißt ab, baut Straßen und zieht Leitungen und verkauft dann die Flächen unter Vorgaben an Investoren — genau nach dem Vorbild des viel größeren Bornstedter Feldes. Nur die Originalbauten aus den 1930er Jahren wie Turm, Casino, Heizhaus, Stabsgebäude und Fähnrichsheim sowie T-förmige Bauten bleiben erhalten, die in den 1970er Jahren von der Sowjetarmee errichteten Plattenbauten hingegen komplett abgerissen, um neuen Angerdörfern Platz zu machen. Über viele Details wie Zuwegung, Tramtrasse, Platzierung der Angerdörfer und vieles mehr werden im Zuge der Entwicklung Wettbewerbe entscheiden. Klar ist nur, dass Anfang 2015 erste Baumaßnahmen geplant sind und die Vermarktung schon läuft.

Dass die Nachfrage trotz fünf Kilometern Entfernung zur Innenstadt so groß ist, liegt laut Nicke auch daran, dass das Areal an zwei Seen liegt und an die Döberitzer Heide grenzt. Es sei ruhig, naturnah und damit familientauglich. Seit im Mai die Kommunalaufsicht grünes Licht für die Entwicklungsmaßnahme gab, arbeiten Stadt und ETB emsig an Plänen, Wettbewerben und Vermarktung.

Nach soviel Information blühte dann wieder der Flachs: Auf dem ehemaligen Exerzierplatz stellte sich Jann Jakobs auf den Kommandostand und sein Baudezernent, ganz gegen sonstige Gewohnheit, salutierte vor ihm. Der ETP sei für die Maßnahme angetreten und kampfbereit. Lächelnd nahm Jakobs das Defilee der Zuständigen ab. Danach durften alle noch einen Blick in die teils sehr maroden historischen Gebäude werfen, um sich von der Größe der Aufgabe zu überzeugen, bevor es bei einer Tasse Kaffee — die Pressestelle wollte auch humorvoll sein und servierte „Jacobs Krönung” — wieder schwitzend zurück in die verstopfte Innenstadt ging. „Tja”, sagte ein Verantwortlicher, während die Karawane im Stau stand, „für den Verkehr gen Norden müssen wir uns wohl auch noch was einfallen lassen.” Da war es plötzlich ganz ruhig im Wagen. Selbst Madonna schwieg.

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