Wadenkrampf und Freudentränen
Wettbewerb: Bademode im Bierdunst: Auf dem Diedersdorfer Oktoberfest wurde wieder eine Miss gesucht
Sie konnten sich direkt fürs Landesfinale der „Miss Germany“ qualifizieren, die elf Teilnehmerinnen im Vorausscheid.
DIEDERSDORF| Der Wadenkrampf sollte sich am Ende lohnen. Doch vor die Schärpe haben die Götter den Schmerz gesetzt: Nicole Reimer lächelte eisern durch, aber über ihren 10-Zentimeter-Stiletto-Absätzen krampften die Wadenmuskeln erkennbar. Doch was soll man tun, wenn man nur 1,60 Meter groß ist, aber trotzdem Miss Germany werden möchte?
Sie hatte auch noch die längste Stehzeit, die 21-jährige Berlinerin, denn ihr war die Startnummer 1 zugelost worden. Im cremefarbenen Abendkleid musste sie am Mittwochabend als erste auf den weiß-blau karierten Laufsteg im Diedersdorfer Oktoberfestzelt, zehn weitere Miss-Anwärterinnen folgten. Das Zelt war nur gut halb voll, aber die Stimmung – auch dank genügend Maßkrügen – von Beginn an gut. Zweimal auf und ab, unter den prüfenden Blicken der Jury, dann galt es, ein einminütiges Kurzinterview zu überstehen, das von Moderatorin Carmen Franke mit einer Vorstellung eingeleitet wurde. So erfuhren die staunenden Gäste, dass Nicole eine Violine spielende Reisekauffrau sei, die gern nach Griechenland reist und ihre Maße 84-58-84 betrügen. Nuria, deren Name nach eigenem Bekunden „so was wie Sonnenaufgang auf arabisch oder jüdisch oder so“ bedeutet, turnt gern am Trapez und hat im Übrigen 82-52-89, war zu erfahren. Die 17-jährige Jennifer, 84-62-92, kann vier Sprachen, will Stewardess werden und hatte das Preisschild unter den Schuhen kleben lassen. Denise, 25, beeindruckte das Publikum mit einem bedrohlich ausladenden Dekolleté und dem Hinweis, Cocktails seien ihr größtes Hobby. Schließlich kam Juliane, 86-68-99, Polizistin und Exsoldatin – „weil ich für mein Leben gerne schieße“ –, die als besonderes Talent die Fähigkeit zum Telefonieren beim Autofahren nannte, zur Freude des bierseligen Publikums, als Hobbys Reiten und ihre zwei Katzen (Zuruf: „Geil! Drei Muschis zuhause!“) aufzählte. Sie durften noch zwei-, dreimal paradieren, dann wurde der Ruf der Menge („Ausziehen! Ausziehen!“) erhört, und die elf möglichen Missen verschwanden, um sich in Bademode zu werfen.
Im grün-blauen Tankini kehrten sie einige Saalrunden später zurück, und das Spiel wiederholte sich. Das Publikum goutierte das entweder enthemmt-gröhlend mit „Mach-Dich-nackig“-Rufen oder fachlich-abschätzig mit ausgefeilten Potenzialanalysen: „Ganz annehmbar“, urteilte ein Herr im Anzug, „kommerziell kaum verwertbar“, entgegnete ein anderer, und ein dritter diagnostizierte kühl hier und da „Hautstrukturprobleme an den Oberschenkeln“. In der Tat zeigte sich, dass es nur ein Vorausscheid war: Von zu großen Schritten bis Trampeln, von Speckröllchen bis zu viel Push-Up, von unnatürlichem Dauerlächeln bis dem gefürchteten „Oh-Gott-sind-diese-Absätze-hoch“-Gang waren alle Anfängerfehler mehr oder minder häufig vertreten. Carmen Franke aber moderierte über solche Spitzfindigkeiten elegant hinweg, und den meisten Gästen waren diese Nickligkeiten ohnehin längst egal. Nachdem alle Sponsoren zum wiederholten Male aufgezählt waren und die Jury ihre Punktelisten abgegeben hatte, riss der DJ mit „Heidi“, „Biene Maja“ und dem „Holzmichl“ das Publikum von den Bänken, und eine Stunde später standen die Siegerinnen fest: Nicole Reimer wurde für ihre verhärtete Wadenmuskulatur mit dem ersten Platz, Schärpe und Krone, einem Ring, Champagner und zahllosen anderen Preisen entschädigt, die anwesenden Eltern wollten vor Stolz schier platzen, Carolin Ludwig (84-62-92) wurde Vize-Miss Schloss Diedersdorf, Platz drei ging an Merit Büttner. Damit hatten sich drei Berlinerinnen durchgesetzt. Die Siegerin darf nun zum Landesausscheid und könnte sich dort für das Bundesfinale qualifizieren.
Erschienen am 17.10.2008